Grosseto. Die italienische Justiz hat am Montag die Aufarbeitung der Havarie des Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“ fortgesetzt, bei der am 13. Januar 32 Menschen starben. Zu der Anhörung in Grosseto erschien neben mehr als 1000 Überlebenden und Hinterbliebenen auch der beschuldigte Kapitän Francesco Schettino.

Der Unglückskapitän kam durch die Hintertür, erwartet von Hunderten Überlebenden und Hinterbliebenen von Todesopfern. Nach mehrmonatiger Pause hat die italienische Justiz am Montag die Beweisaufnahme zur Havarie des Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia" fortgesetzt. Der Andrang war so groß, dass die Anhörung in einem Theater der toskanischen Stadt Grosseto stattfand, um allen interessierten Betroffenen Platz zu bieten.

Die "Costa Concordia" mit 4.200 Passagieren und Besatzungsmitgliedern an Bord war am 13. Januar zu nah an die kleine Insel Giglio herangefahren, hatte einen Felsen gerammt und war gekentert. 32 Menschen kamen ums Leben, darunter auch zwölf deutsche Passagiere.

Mehr als 1000 Menschen wollten Kapitän Schettino ins Gesicht sehen

Über 1000 Menschen kamen, um dem beschuldigten Kapitän Francesco Schettino ins Gesicht zu sehen. "Wir wollen ihm in die Augen schauen und sehen, wie er auf die Beschuldigungen reagiert", sagte der deutsche Überlebende Michael Liessen, der mit seiner Frau an der nicht öffentlichen Anhörung teilnahm.

Schettino, im Anzug und mit Sonnenbrille, schlüpfte ohne ein Wort zu den wartenden Medien durch einen Hintereingang in das Gebäude. Anwälte berichteten, der 51-Jährige habe die Anhörung konzentriert verfolgt. Seine Verteidiger hätten einige Einsprüche gegen Beweismittel eingelegt. Die Beratungen in dieser Woche spielen eine Rolle bei der Entscheidung, ob ihm der Prozess gemacht wird.

Prozess wohl nicht mehr dieses Jahr

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Der damalige Kapitän wird der fahrlässigen Tötung verdächtigt; er soll das Unglück verursacht und vor Passagieren und Mannschaft von Bord gegangen sein. Er weist die Vorwürfe zurück und hält dagegen, er habe das Schiff noch in flacheres Wasser gesteuert und so sogar Leben gerettet. In Grosseto soll nun die Beweislage gegen Schettino und acht weitere Beschuldigte erörtert werden, darunter Schiffspersonal und Mitarbeiter des Kreuzfahrtunternehmens Costa Crociere. Ein Prozess würde wohl nicht mehr in diesem Jahr beginnen.

Bei der Anhörung soll erstmals auch die vollständige Auswertung des Bordschreibers öffentlich gemacht werden. Der Termin war bereits für Juli vorgesehen gewesen, aber dann vertagt worden, weil die Experten vor allem zur Auswertung der Black Box mehr Zeit benötigten.

Havarierte "Costa Concordia"

Das Kreuzfahrtschiff
Das Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" war Freitagnacht vor der toskanischen Küste auf einen Felsen gelaufen und gekentert. An Bord waren rund 4200 Menschen, darunter 566 Deutsche. Gegen den Kapitän der "Costa Concordia", Schettino, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung, Verursachung eines Schiffbruchs und wegen des Verlassens des Schiffs vor anderen. Das Foto zeigt das Schiff, wie es in Reise-Prospekten zu sehen war. Denn seit Freitag... © AP
...liegt das havarierte Schiff vor der Insel Giglio an der West-Küste Italiens. Das Unglück geschah am Freitag,...
...liegt das havarierte Schiff vor der Insel Giglio an der West-Küste Italiens. Das Unglück geschah am Freitag,... © AP
...dem 13. Januar während...
...dem 13. Januar während... © AP
...des Abendessens an Bord.
...des Abendessens an Bord. © REUTERS
Ein 70 Meter langer Riss ist zu sehen. Das Schiff war offenbar zu nah an die Küste gesteuert worden. Ein Felsen hatte den Rumpf aufgeschlitzt. Binnen Minuten geriet der Luxuslinier in Schlagseite. Ein Stück des Felsens...
Ein 70 Meter langer Riss ist zu sehen. Das Schiff war offenbar zu nah an die Küste gesteuert worden. Ein Felsen hatte den Rumpf aufgeschlitzt. Binnen Minuten geriet der Luxuslinier in Schlagseite. Ein Stück des Felsens... © AFP
...den das Schiff gerammt hatte, steckt fest. Unwirklich sieht die Bucht..
...den das Schiff gerammt hatte, steckt fest. Unwirklich sieht die Bucht.. © REUTERS
...von oben aus. Das Schiff liegt...
...von oben aus. Das Schiff liegt... © AFP
...seitlich im Wasser. Der Kapitän des Schiffes,...
...seitlich im Wasser. Der Kapitän des Schiffes,... © AFP
...Francesco Schettino wurde am Samstag festgenommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Schettino wegen fahrlässiger Tötung, Verursachung eines Schiffbruchs und wegen des Verlassens des Schiffs vor anderen. Die Reederei Costa hatte...
...Francesco Schettino wurde am Samstag festgenommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Schettino wegen fahrlässiger Tötung, Verursachung eines Schiffbruchs und wegen des Verlassens des Schiffs vor anderen. Die Reederei Costa hatte... © REUTERS
...Kapitän Schettino am Sonntagabend
...Kapitän Schettino am Sonntagabend "Fehlentscheidungen" vorgeworfen und erklärt,... © REUTERS
...die Route des Schiffs habe offenbar zu nah an der Küste vorbei geführt.
...die Route des Schiffs habe offenbar zu nah an der Küste vorbei geführt. © REUTERS
Per Helikopter wurden Passagiere, aber auch Rettungskräfte in Sicherheit gebracht.
Per Helikopter wurden Passagiere, aber auch Rettungskräfte in Sicherheit gebracht. © AFP
Wegen heftigen Wellengangs wurde die Suche...
Wegen heftigen Wellengangs wurde die Suche... © AP
...zunächst abgebrochen.
...zunächst abgebrochen. © REUTERS
Am Montagmorgen...
Am Montagmorgen... © AFP
...haben die Bergungsmannschaften die Suche nach den noch...
...haben die Bergungsmannschaften die Suche nach den noch... © AFP
...vermissten 21 Passagieren und Besatzungsmitgliedern...
...vermissten 21 Passagieren und Besatzungsmitgliedern... © AFP
...des Kreuzfahrtschiffs
...des Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia" fortgesetzt. © AFP
Taucher machten sich auf die Suche nach den noch immer Vermissten.
Taucher machten sich auf die Suche nach den noch immer Vermissten. © AFP
In der Nacht zu Sonntag konnte ein Hochzeitspaar aus seiner Kabine befreit werden. Die Süd-Koreaner...
In der Nacht zu Sonntag konnte ein Hochzeitspaar aus seiner Kabine befreit werden. Die Süd-Koreaner... © AP
...wurden über 24 Stunden nach dem Unglück gerettet.
...wurden über 24 Stunden nach dem Unglück gerettet. © REUTERS
Auch am Sonntag läuft die Suche nach Vermissten auf Hochtouren.
Auch am Sonntag läuft die Suche nach Vermissten auf Hochtouren. © AFP
In der Kirche des Küsten-Dorfes wurde ein Gottesdient abgehalten. Die meisten Überlebenden des Unglücks..
In der Kirche des Küsten-Dorfes wurde ein Gottesdient abgehalten. Die meisten Überlebenden des Unglücks.. © AFP
...sind bereits in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Doch die Lage...
...sind bereits in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Doch die Lage... © AFP
...in Italien ist immer noch kritisch. Der Tank des Schiffes droht auszulaufen.
...in Italien ist immer noch kritisch. Der Tank des Schiffes droht auszulaufen. © AP
Mittlerweile haben die italienischen...
Mittlerweile haben die italienischen... © AFP
...Behörden eine Liste...
...Behörden eine Liste... © Getty Images
...mit den namen, der och immer vermissten Passagiere und Crew-Mitglieder...
...mit den namen, der och immer vermissten Passagiere und Crew-Mitglieder... © REUTERS
...veröffentlicht. Taucher suchen, soweit es die Witterung zulässt, noch immer...
...veröffentlicht. Taucher suchen, soweit es die Witterung zulässt, noch immer... © AFP
...nach den Vermissten.
...nach den Vermissten. © REUTERS
Employees of a wreck removal and salvage operations company take a coffee on January 19, 2012 before working on the cruise liner Costa Concordia aground in front of the harbour of the Isola del Giglio (Giglio island) after hitting underwater rocks on January 13. Italian rescuers resumed their search on board a crashed cruise ship the same day, as salvage workers prepared to pump out fuel from its tanks to avoid an environmental disaster.  AFP PHOTO / VINCENZO PINTO
Employees of a wreck removal and salvage operations company take a coffee on January 19, 2012 before working on the cruise liner Costa Concordia aground in front of the harbour of the Isola del Giglio (Giglio island) after hitting underwater rocks on January 13. Italian rescuers resumed their search on board a crashed cruise ship the same day, as salvage workers prepared to pump out fuel from its tanks to avoid an environmental disaster. AFP PHOTO / VINCENZO PINTO © AFP
Members of the Carabinieri in a boat travel past the Costa Concordia cruise ship which ran aground off the west coast of Italy at Giglio island January 19, 2012. No deadline has been set for ending the search for missing people on the wreck of the Italian cruise liner that capsized off the Tuscan island, the chief spokesman of the firefighters said on Thursday.  REUTERS/Paul Hanna  (ITALY - Tags: DISASTER TRANSPORT)
Members of the Carabinieri in a boat travel past the Costa Concordia cruise ship which ran aground off the west coast of Italy at Giglio island January 19, 2012. No deadline has been set for ending the search for missing people on the wreck of the Italian cruise liner that capsized off the Tuscan island, the chief spokesman of the firefighters said on Thursday. REUTERS/Paul Hanna (ITALY - Tags: DISASTER TRANSPORT) © REUTERS
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"Niemand hätte sterben müssen"

Eine entscheidende Frage ist, in welchem Maß Schettino beziehungsweise die Crew und die Reederei für das Unglück verantwortlich sind. Ein Bericht von Experten vorigen Monat gab Schettino die Hauptschuld an der Kollision und der schiefgelaufenen Evakuierungsaktion. Sie wiesen aber auch darauf hin, dass nicht alle Besatzungsmitglieder Italienisch verstanden, nicht alle in Sicherheitsmaßnahmen auf dem neuesten Stand waren und nicht alle Passagiere an Notfallübungen hatten teilnehmen können.

Schettinos Anwälte hatten vergebens beantragt, den indonesischen Steuermann zu der Anhörung zu laden. Dennoch zeigte sich einer der Verteidiger während einer Pause zuversichtlich und sagte, es träten Verantwortlichkeiten zutage, die nicht allein Schettinos seien.

Einige Überlebende und Hinterbliebene machen die Reederei verantwortlich und halten ihr Nachlässigkeit vor. Dazu zählt auch Peter Ronai, Anwalt der Angehörigen eines ungarischen Geigers, der seine Rettungsweste einem Kind überlassen hatte und selbst ums Leben gekommen war. "Niemand hätte sterben müssen", sagte Ronai. "Das Schiff war so groß wie ein Einkaufszentrum, es war dunkel, es war das absolute Chaos." (dapd)