Mülheim. .

Ein kitschig geschmückter Kunststoffweihnachtsbaum ist der einzige Farbtupfer in der Container-Mensa der jungen Hochschule Ruhr West. Noch ist kein Studierender in Sicht, das Küchenpersonal rührt aber um 11 Uhr schon eifrig in großen Töpfen – montags sei es eher ruhig, vielleicht 150 Essen. Etwas verspätet trudeln die drei Gaststudenten ein, die Straßenbahn kam nicht pünktlich. „Mülheim ist so eine kleine und ruhige Stadt, das ist astrein“, sagt Ilker Kacan (20) aus Istanbul lachend. „Astrein“ sagt er natürlich auf deutsch.

Die Kommilitonen Jian Liu aus Schanghai und Kübra Coskun, ebenfalls aus Istanbul, stimmen zu. Sie sprechen und verstehen schon ein wenig, wichtigste Sprache ist aber Englisch. Was für andere eher ein Manko darstellt nach dem Motto „Hier ist ja nichts los“, gefällt den Extrem-Großstädtern besonders gut. Für Jian Liu, der in der 25-Millionen-Metropole Schanghai Informatik studiert, ist die Stadt am Fluss die reine Erholung.

So wenig Hochhäuser

Auch Istanbul mit 17 Mio. Bewohnern, die Heimat von Ilker und Kübra, ist laut und immer verstopft. Das gute Transportsystem und die Menschen haben es den 20 und 21 Jahre jungen Gast-Mülheimern angetan. „Ich hole alle Studenten vom Flughafen ab und entschuldige mich oft für den Berufsverkehr“, erzählt Angela Beuer vom International Office. Sie ernte jedes Mal verständnislose Blicke. Jian Liu hat überrascht, dass es in Deutschland so wenige Hochhäuser gibt.

Er genießt sein Einzelzimmer im Speldorfer Studentenwohnheim – zu Hause teile er sich einen Raum mit vier Kommilitonen – und kennt schon Museen in Mülheim, Essen und Köln. Das Studium sei hier weniger verschult als in China, das gefalle ihm gut. Die Weihnachtsferien will er nutzen, um Paris und Italien kennen zu lernen. Die Mitbewohner Ilker und Kübra würden ihre Zeit hier gerne verlängern, möchten wiederkommen. Ilker plant das Weihnachtsfest bei der Familie eines deutschen Freundes.

Familiäre Atmosphäre

Fremdsprachen sind für alle drei sehr wichtig. Kübra betont: „Deutschland ist großartig und gut für meine Karriere.“ Ilker mag die familiäre Atmosphäre an der HRW und sagt: „Ich liebe die Ruhe, gehe im Wald joggen und fahre nur ein oder zwei Mal pro Woche zum Feiern nach Düsseldorf.“ Aber auch Mülheim hat in ihrer Abendgestaltung schon einen Platz erobert. Im Coco D’or gebe es donnerstags Studentenpreise und im Tequilas Club habe die Erstsemester-Party stattgefunden, ergänzt Angela Beuer.

Dreizehn junge Menschen aus unterschiedlichen Ländern, darunter China, Bolivien, Türkei oder Kroatien, studieren aktuell im Rahmen eines „International Business Semesters“ in Mülheim. Sie besuchen ­Kurse und Veranstaltungen, die in englischer Sprache abgehalten werden, besuchen aber zudem einen Deutschkurs.

Knapp 900 Studenten in Mülheim

Betreut werden sie vom „International Office“ der HRW. Passend zur Weihnachtszeit veranstaltet die Hochschule für ihre fremden Gäste einen viertägigen Ausflug in die Bundeshauptstadt Berlin, mit einigen Programmpunkten zu deutscher Geschichte. Vorrangiges Ziel des Gastsemesters sei es, die Strukturen an einer deutschen Hochschule kennen zu lernen und erste Sprachkenntnisse zu erwerben. Zeitgleich sind im September 25 Studierende der HRW zu einem Auslandssemester aufgebrochen.

An den Standorten Bottrop und Mülheim sind zurzeit rund 1700 Studenten eingeschrieben, die mittlerweile aus ganz Deutschland kommen. Der größte Teil stammt allerdings aus den umliegenden Ruhrgebietsstädten. In Mülheim studieren knapp 900 junge Menschen BWL und Maschinenbau.