Mülheim. Die Zahl der Mülheimer Senioren, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, steigt. Maria T. ist eine von den vielen Rentnern, die ohne Geld vom Staat nicht auskommen. Obwohl sie 30 Jahre lang gearbeitet hat, muss die 70-Jährige heute jeden Cent zweimal umdrehen, bevor sie etwas kauft.

In der ersten Hälfte ihres Lebens war Geld nie ein Thema für Maria T. In der zweiten Hälfte bestimmt es ihren Alltag. Heute muss die 70-Jährige jeden Cent zweimal umdrehen, bevor sie etwas kauft. Obwohl sie 30 Jahre lang abhängig beschäftigt war, reicht die Rente nicht zum Leben. Sie ist eine von 2200 Mülheimern, die derzeit ihre Rente mit Geld vom Staat aufstocken müssen. Die Zahl der Senioren, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, steigt.

Maria T. möchte anonym bleiben. Sie schämt sich. Nicht, weil sie Geld vom Staat bezieht, sondern „weil ich so naiv war und mich nie um die Rente gekümmert habe.“ Daher möchte sie alten Menschen sagen: „Ihr habt Anspruch auf Grundsicherung.“ Und Jüngeren raten: „Geld zurückzulegen. Und seien es nur 10 Euro im Monat.“

Gut betucht

Marias Geschichte ist typisch für ihre Generation. Nach einer Ausbildung zur Arzthelferin und einer weiteren zur Sozialarbeiterin heiratete sie ihren damaligen Mann. „Ich habe mich um die Erziehung unserer Kinder und den Haushalt gekümmert.“ Gut betucht habe sie mit ihrer Familie gelebt, um Geld musste sie sich nie Gedanken machen. „Mein Mann hatte einen gut bezahlten Job.“ Nebenbei engagierte sie sich ehrenamtlich, für Kinder und in der Lokalpolitik, in der Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit. Als dann nach 20 Jahren die Scheidung kam, verzichtete sie auf den Unterhalt. „Ich wollte nichts von ihm haben“, erinnert sie sich.

In der Mitte ihres Lebens begann für Maria T. ein neues Leben. Zunächst lebte sie zwei Jahre lang vom Ersparten. „Ich hatte noch eine Lebensversicherung und teure Möbel, die ich verkaufen konnte.“ Doch Stillsitzen war für sie keine Option. „Ich habe viele verschiedene Jobs angenommen.“

Als Sozialarbeiterin, in der Pflege oder im Kinderschutz. Fast 30 Jahre lang arbeitete sie und zahlte in die gesetzliche Rentenkasse ein. Dass am Ende nur so wenig übrigbleiben würde, daran hatte sie nie gedacht. Zumal sie eigentlich noch Anspruch auf die Betriebsrente ihres Mannes hatte. Doch: „Die Betriebskasse der Firma ging pleite.“

180 Euro für Essen, Trinken, Kleidung und Ausgehen

320 Euro bekommt Maria T. im Monat an Rente. Weil das zum Leben nicht reicht, bezieht sie Grundsicherung, mit der u.a. die Miete für die 45 Quadratmeter-Wohnung bezahlt wird. Nach Abzug aller Kosten, darunter Strom, Versicherungen, Telefon und Monatsticket, bleiben Maria T. rund 180 Euro für Essen, Trinken, Kleidung und Ausgehen. „Ich war schon immer ein sparsamer Mensch“, beschreibt die bescheidene 70-Jährige.

„Doch einschränken muss ich mich schon.“ Ihre Wäsche wäscht sie im Waschsalon, gekocht wird auf einer einzelnen Kochplatte. Kleider kauft Maria T. schon seit Jahren gebraucht. Demütigend sei es, sich bei der Tafel anzustellen. Das schlimmste sei aber der Verlust der sozialen Kontakte. „Ich kann nicht auf Geburtstage gehen, weil ich kein Geld für Geschenke habe, meine Freunde in meiner Heimatstadt kann ich nicht besuchen, weil kein Geld fürs Ticket da ist.“

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Über die Perspektive für die Zukunft möchte sie gar nicht nachdenken. Ihren Kindern auf der Tasche zu liegen, das fände sie schrecklich. Trotzdem versucht die fröhliche Frau ihren Humor zu bewahren und am Leben teilzuhaben. Dafür engagiert sie sich weiter ehrenamtlich für Kinder.

Nicht nur Jüngere möchte sie mit ihrer Geschichte erreichen. Generell vermisse sie Toleranz in der Gesellschaft. Viele Leute stempelten Arme als ungebildet, als asozial ab. Ihnen will sie sagen: „Schaut hinter die Kulissen. Am Ende kann es jeden treffen.“