Mülheim. . Borislav arbeitet ehrenamtlich bei seiner alten Stelle weiter. Eine bezahlte Anstellung lohnt sich für ihn nicht, weil seine Rente zu gering ist und er Grundsicherung von der Sozialagentur erhält.

Mir bleiben nur 30 Prozent, nur 30 Prozent vom Lohn!“, antwortet Borislav (Name von der Redaktion geändert) wiederholt auf die Frage, ob er denn nicht als Minijobber bei der Diakonie arbeiten will. Seit Mai dieses Jahres ist der 65-Jährige als Rentner ehrenamtlich beim Diakoniewerk Arbeit und Kultur.

„Entschädigung für die Fahrtkosten kriege ich, aber mehr nicht“, sagt er. Vorher habe er neun Jahre lang eine volle Stelle als Außendienstler gehabt, ist für die Diakonie zu Wohnungen gefahren, hat sich um Haushaltsauflösungen gekümmert. Das macht er weiterhin, allerdings freiwillig und nur noch zehn bis 15 Stunden pro Woche.

173 Euro Rente

Borislav, der ungern über seine Situation spricht, würde gerne wieder für Geld arbeiten, denn er kann es wirklich gut gebrauchen. 173 Euro Rente erhält er monatlich. Die Sozialagentur muss für seine Grundsicherung sorgen. „Mir bleiben im Monat rund 900 Euro“, sagt er. Davon müsse er für seine Frau und sich Miete und Lebensunterhalt zahlen. „Es reicht natürlich nicht“, sagt er, und seine kräftige Stimme wird etwas leiser. Seine Tochter unterstütze ihn. Sie arbeitet als Kommunikationsdesignerin, hat in Deutschland studiert und längst eine eigene Familie.

Selbst, wenn Borislav wieder eine bezahlte Stelle angeboten bekommen würde, hätte er zwar mehr Arbeit, aber kaum mehr Geld im Monat. Von einem Lohn, den er für einen Minijob kriegen könnte, dürfte er nur 30 Prozent - maximal jedoch 187 Euro - behalten. Alles andere werde auf die Grundsicherung angerechnet, sagt Peter Todt von der Sozialagentur Mülheim.

Anerkannter Diplom-Ingenieur

Als Fachkraft, an der es der Indus­trie heute so mangelt, kam Borislav 1996 nach Mülheim, seine Mutter und Geschwister waren schon hier. In seinem Geburtsort St. Petersburg hatte er Radio- und Fernsehtechnik studiert, nach seinem Di­plom in der Bauindustrie gearbeitet. Trotz guter Ausbildung hat er seine Heimat verlassen: „In Russland gab es in den 90ern einfach keine Zukunft für mich und für die Rente dort lohnt sich der Flug nicht“, sagt er. Zwar habe man sein Diplom in Deutschland anerkannt, sagt Boris, trotzdem hat er eine Umschulung zum Werkstoffprüfer gemacht und bis 2003 in diesem Beruf gearbeitet. Dann wurde sein Standort dicht gemacht.

Doch als Werkstoffprüfer oder Ingenieur könne Borislav heute nicht mehr arbeiten, sagt er. Seit einer Herzklappen-Operation dürfe er nicht mehr schwer heben. Aber den Job bei der Diakonie, den macht er auch ohne Bezahlung gern: „Natürlich reicht das Geld nicht, aber arbeiten zu gehen ist besser als zu Hause zu bleiben“, sagt der 65-jährige Rentner.