Mülheim. .
Renten, sagt der Wissenschaftler Prof. Gerhard Bäcker von der Uni Duisburg/Essen, sind immer ein Spiegelbild der Erwerbsbiografien. Und diese wiesen immer häufiger Unterbrechungen, Einschnitte und ein sinkendes Lohnniveau auf. Das bittere Ende kommt: „Die Altersarmut wird zunehmen.“ Deutlich sinkende Renten sagte der Wissenschaftler beim SPD-Unterbezirksparteitag in der Stadthalle voraus – wenn sich nichts ändere.
„Die altersarme Republik“ hatte die SPD ihr Parteitags-Thema genannt und dies noch mit einem Fragezeichen versehen. Nach dem jüngsten Datenreport der Bundesrepublik, so Bäcker, könne man durchaus dahinter ein Ausrufezeichen setzen. 15,6 Prozent der Bevölkerung gelten bereits als arm, wobei der Soziologe Bäcker, davor warnt, nur die Einkommensarmut des Einzelnen zu betrachten: „Eine niedrige Rente allein muss kein Indikator für Altersarmut sein.“ Das Haushaltseinkommen sei entscheidend, und damit auch andere Einkommen und Werte. Und auch die Wohnverhältnisse, das Freizeitverhalten, der Gesundheitszustand – die Lebenslage schlechthin, so Bäcker, sei bei der Bewertung von Altersarmut heranzuziehen.
Der Verfall der Renten ist aus Sicht des Soziologie-Professors nicht mehr zu übersehen, vor allem bei den Erwerbsminderungsrenten sei der Einbruch rasant. Der Blick in die Zukunft bereitet ihm Sorgen: Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, der sich ausweitende Niedriglohnsektor, die Langzeitarbeitslosigkeit vieler Menschen, die Selbstständigkeit ohne ausreichende Absicherung für das Alter – all das, so Bäcker, führe zur Verschlechterung der Rente. Jeder Fünfte im Niedriglohn-Sektor arbeite heute zu einem Stundenlohn, der nur zwei Drittel des durchschnittlichen Einkommens betrage. Beifall bekommt er für seine Forderung, Frauen nicht länger in 400 Euro-Jobs zu drängen, bei fehlendem ausreichenden Schutz fürs Alter. Man könne, sagt der SPD-Rentenexperte MdB Anton Schaaf, die Rentendiskussion nicht von einer Lohndiskussion abkoppeln.
Was ist zu tun? Bäcker warnt vor „systemsprengenden Reformen“ wie eine Bürgerente oder Grundrente für alle. „Nicht zu bezahlen.“ Er schlägt die Einengung des Niedriglohnsektors vor, die intensive Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, eine Pflichtversicherung für alle Erwerbstätigen, in die auch die Selbstständigen und Beamten einzahlen sollten. „Wir haben es hier nicht mit einem Thema für Senioren zu tun, es geht die gesamte Gesellschaft an.“
Es geht dabei nicht nur ums Geld. „Es geht auch um die Frage, wie wollen wir im Alter leben, wie können wir weiter am gesellschaftlichen Leben teilnehmen“, sagt die NRW-Ministerin für Gesundheit, Pflege und Alter, Barbara Steffens (Grüne), die die SPD geladen hatte. Auch sie steht auf dem Standpunkt: Die Lebenslage insgesamt entscheidet über einen reichen oder armen Lebensabend.
Die Zahl der über 80-Jährigen wird im Land und erst recht in Mülheim prozentual deutlich in den nächsten 20 Jahren steigen, von derzeit 900 000 auf 1,4 Millionen. Derzeit sind 510 000 Senioren pflegebedürftig, 709 000 werden es in 20 Jahren sein.
Kleinräumige Lösungen sind für die Ministerin ein mögliches Modell der Zukunft. Sie denkt an Quartiere, in denen die Menschen im Alter wohnen blieben können, in denen es Pflegeeinrichtungen, Begegnungsstätten, ein gesellschaftliches Angebot, kurze Wege und ein barrierefreies Umfeld gibt. In Lemgo, Münster und Bielefeld könne man solche Quartiere bereits erleben.