Mülheim. .
Es gibt Menschen, die brennen für etwas. Sven Schlötcke ist solch ein umtriebiger Geist, Theatermann durch und durch. Der gebürtige Rostocker gründete das Theaterhaus Jena mit – nach dem Modell des Theater an der Ruhr. 2001 kam er nach Mülheim.
Der Dramaturg gehört zur Künstlerischen Leitung, kümmert sich um die Geschäfte und engagiert sich für den Kinder- und Jugendbereich im Theater, „der in den letzten Jahren stärker ausgebaut wurde“, so Schlötcke.
Schule der Wahrnehmung
Am Raffelberg wird der Bildungsbegriff um eine „Schule der Wahrnehmung und des Sehens“ frei nach Hegel bereichert, von dem der Ausspruch stammt: „Bildung ist die Möglichkeit, die Welt durch die Augen eines anderen zu sehen“. Beim Jungen Theater greift ein vielgestaltiges Konzept vom Vorschulalter bis zum Abitur und darüber hinaus. Dabei kommt der Vernetzung mit Schulen und Angeboten wie Spielewerkstätten und Workshops eine tragende Rolle zu.
Mit acht Schulen sind Partnerschaftsverträge geschlossen: Otto-Pankok- und Luisenschule, Karl-Ziegler-Gymnasium, Gustav Heinemann-Gesamtschule, Gesamtschule Saarn, Realschule Broich sowie die Duisburger Gymnasien St. Hildegardis und Reinhard und Max Mannesmann. Der langjährige Theaterpädagoge Bernhard Deutsch hat mit Beate Brieden eine neue Kollegin an seiner Seite.
Gelebte, repräsentative Demokratie
Und schließlich geht es auch darum, „dass es immer wichtiger wird, das eine Gesellschaft, die eine repräsentative Demokratie lebt, Bürger mit Urteilskraft braucht.“ Und so trampelt das Theater an der Ruhr gegen manch’ fragwürdige Helden an, die heutzutage geballt multimedial auf die Jugend losgelassen werden. Man stellt sich der Herkulesaufgabe, junge Leute für klassische Stoffe und Theatertechniken zu begeistern. „Wir bemühen uns in den Produktionen, die Schüler mitzunehmen, aber dabei die Theaterkunst nicht zu verleugnen.“ Lust auf einen Perspektivwechsel, verbunden mit der Freiheit, „die Welt nochmal ganz anders zu sehen“. Bewusst fällt die Wahl nicht auf gängige Autoren der Kinder- und Jugendliteratur, „sondern wir gehen genau in die andere Richtung“.
Regisseure die mit unverbrauchtem Blick
Goethes „Iphigenie auf Tauris“ ist solch ein Stoff, der in neuem Gewand für junge Sehgewohnheiten daher kommt oder auch „Es brennt“ nach Motiven von Mario und der Zauberer von Thomas Mann. Das hat sich in der deutschen „Theaterszene herumgesprochen“ und so sind feste Kooperationen wie die mit dem Jungen Staatstheater Berlin entstanden.
Bei den Jugend-Inszenierungen wird ebenfalls auf Regisseure gesetzt, die „nicht aus dem Kinder- und Jugendbereich, sondern von Stadt- und Staatstheatern kommen, aber auch die freie Theaterarbeit kennen“, betont Dramaturg Sven Schlötcke: „Regisseure, die mit unverbrauchtem Blick auf die junge Generation zugehen können“. Wie Jo Fabian und Albrecht Hirche, die beide schon erfolgreich Jugendprojekte am Theater an der Ruhr inszeniert haben.
Hauptmanns Furiose Weber
Jo Fabian, der 2011 „Die Weber“ von Hauptmann furios am Neuen Theater Halle heraus brachte und in diesem Frühjahr am Theater Junge Generation in Dresden einen fantastischen „Werwolf“ auf die Bühne schickte, ist derweil wieder am Raffelberg aktiv. Der Grenzgänger (Regisseur Autor, Choreograf und Videogestalter) versucht sich an der Wiederauflage eines Klassikers aus junger Sichtweise: „Kabale und Liebe“ nach Friedrich Schiller hat am 21. November Premiere.
Danach wird Albrecht Hirche, der bereits „Iphigenie auf Tauris“ und „Ich und andere Lügen“ (ausgezeichnet beim Westwind-Festival) ein Theaterprojekt zum Thema „Scham“ entwickeln. Doch zuvor bringt Schauspielerin Maria Neumann Sonntag, 21. Oktober, das Grimm-Märchen „Hans im Glück“ für die Kleinsten zur Premiere.