Mülheim. .
Es ist warm, Jungen und Mädchen halten sich an den Händen und aus den Boxen dröhnt „It’s my life“ von Bon Jovi. Hier steigt jedoch keine wilde Party, vielmehr werden die Jugendlichen benotet für das, was sie tun – im Rahmen des Sportunterrichts. „Eins, zwei, Cha-Cha-Cha!“, sagt Thorsten Ritter in sein Mikro, während die Neuntklässler im Schein der Discobeleuchtung konzentriert ihre ersten Tanzschritte versuchen.
Es ist erst die vierte Stunde für die Schüler der Realschule Broich, doch einige Gesichter sehen schon entspannt aus. So wie das von Celina Günther. „Ich habe früher lange hier getanzt“, verrät die 15-Jährige. Videoclipdancing und keinen Standard, aber man sieht ihrer Haltung an, dass sie sich nicht zum ersten Mal zu Musik bewegt.
Manche finden Tanzen uncool
Seit acht Jahren arbeitet die Tanzschule Ritter mit der Realschule Broich zusammen. Jedes Jahr bekommen Neuntklässler zehn Tanzstunden à 75 Minuten in dem Saal der Tanzschule. „Es hat sich an der Schule rumgesprochen“, sagt Sportlehrerin Linda Delzig, „mittlerweile sind die Schüler viel motivierter als am Anfang.“ Natürlich gebe es einige, die Tanzen uncool finden. Drumherum kämen sie trotzdem nicht. „Es ist ja Unterricht“.
Nachdem John Bon Jovi die letzten Zeilen gesungen hat, geht das Licht wieder an. Schnell müssen sich alle einzeln vor dem großen Spiegel aufstellen. Ritter macht vor, die Schüler machen nach. „Wir gehen in die rechte untere Ecke des Koffers“, sagt Ritter und hat dabei seine ganz eigene Art, den Grundschritt des Walzers zu erklären. „Woran kann man einen Walzer erkennen?“, fragt Ritter. „Am Dreiviertel-Takt“, rufen einige. „Welche Walzer-Arten kennt ihr?“, „Wird das der Wiener oder der langsame Walzer?“ – so langsam wird deutlich, dass es sich um Unterricht handelt.
Standard-Tanz auf dem Lehrplan
Die Schüler kostet der Tanzkurs 20 bis 25 Euro – je nach Schule. Denn die Realschule ist nicht die einzige Schule in Mülheim, die Standard-Tanz in ihren Lehrplan aufgenommen hat.
„Das geht durch die Schulkonferenz und die Eltern haben zugestimmt“, erklärt Wolfgang Dahmen, Schulleiter der Realschule Broich. Sollte eine Familie das Geld dennoch nicht aufbringen können, springe der Förderverein der Schule ein. „Oder Ritter verzichtet“, sagt Dahmen. Die Tanzschule Ritter arbeitet mit fünf Mülheimer Schulen zusammen.
Doch auch die Altstadt-Tanzschule gestaltet an drei Schulen den Sportunterricht. Anders als Ritter, gibt Franz Jansen seinen Unterricht aber vor Ort, in den Sporthallen. Sein kostenloser Grundkurs beinhaltet fünf bis sieben Tanz-Stunden. Jansen profitiert vor allem davon, dass sich viele Schüler anschließend zu weiteren Kursen bei ihm anmelden. „Manchmal sind es nur zwei von 30, die weitermachen. Es war aber auch schon einmal eine ganze Klasse“.
„Aber man gewöhnt sich daran, mit einem Partner zu tanzen“
Auf dem Parkett laufen plötzlich alle Mädchen durcheinander. „Fordert noch mal einen Neuen auf, heute ist Lady-Day“, hatte Ritter zuvor gesagt. Einige rennen gleich zum auserwählten Tanzpartner, andere warten schüchtern ab. „Es geht vor allem auch um soziale Kompetenz und Respekt. Jeder soll mal mit jedem tanzen, egal, ob er ihn mag oder nicht“, sagt Ritter. Jeannine Copik sitzt abseits des Geschehens auf einem Stuhl.
Es geht ihr nicht gut, aber sie möchte trotzdem zuschauen. „Ich war letzte Woche schon nicht da“, erklärt die 15-Jährige. Sie tanze lieber allein, verrät sie. „Aber man gewöhnt sich daran, mit einem Partner zu tanzen“. Auch Simon Boscheinen und Tom Heyder gestehen, zu Beginn etwas schüchtern gewesen zu sein. „Das erste Auffordern war schwer, aber jetzt macht es echt Spaß.“