Mülheim.

„Die fürchterlichen Fünf“, Kröte, Ratte, Fledermaus, Schwein und Spinne, erobern nach und nach die Bühne, hinter der die schwarz gekleideten Puppenspielerinnen virtuos Rollen, Stimmen und Dialekte wechseln. Die eitle und lauthals klagende Kröte quengelt, die schnoddrig berlinernde Ratte will sich streiten. Schon nach einigen Minuten wird das 100-köpfige, junge Publikum auf dem Spielplatz ganz still und verfolgt gespannt dem Verlauf der Geschichte des Kinderbuchautors Wolf Erlbruch. Ina Leyendecker und Petra Lange spielen konzentriert und binden die Kinder mit ein.

„Der pädagogische Zeigefinger ist uns bei der Stückeauswahl nicht so wichtig, die Themen sollten uns aber am Herzen liegen und ethische Werte vermitteln, wie im „hässlichen Entlein“, wo es darum geht, einen Platz im Leben zu finden“, erklären die Frauen.

Laienbühne sucht Mitspieler

Heinrich von Kleists Text „Über das Marionettentheater“ war dafür verantwortlich, dass Ina Leyendecker im Jahr 1987 mit dem Puppenspiel begonnen hat, das bis heute mit dem Figurentheater „Struwwelköpfe“ ihre große Leidenschaft ist. „Kurz nachdem mich der Text begeistert hat, habe ich in der Zeitung die Anzeige ,Laienbühne sucht Mitspieler’ gefunden – das war einfach höhere Gewalt!“, lacht die Mülheimerin.

So wurde aus der Laienbühne mit Bernd Willecke bald eine Profibühne, die eine dritte Spielerin suchte, und mit Petra Lange aus Oberhausen fand.

Seit 1994 arbeiten die beiden Frauen, die sich einen Namen in der deutschen Puppenspieler-Szene gemacht haben, zu zweit. Sie ­bearbeiten literarische Vorlagen, bauen Puppen und Bühnen in Eigenarbeit und machen mit ihren Stücken unzähligen Kindern – und Erwachsenen – große Freude. „Petra stammt aus der DDR und hat dort Dekorateurin, Schilder- und Schriftenmalerin gelernt. Sie ist einfach toll im Figuren- und Bühnenbau“, erklärt Leyendecker.

Die Puppenspielerinnen treten drinnen oder draußen in Kindergärten, Schulen, Büchereien oder auf Festen auf. Sie arbeiten mit Jugend- und Kulturämtern oder freien Einrichtungen zusammen, werden auch schon mal privat gebucht.

Mit den Kindern spielen 

Die Bühne des jeweiligen Stücks werde den Gegebenheiten einfach angepasst, in den weißen Kombi passe alles rein. Ob sie alle Stücke jederzeit abrufbar hätten? Da lacht Ina Leyendecker und gesteht, dass sie bei selten gespielten Stücken zur Sicherheit einen „Micky-Maus-Durchlauf“-machen. „Wir rattern uns gegenseitig in kürzester Zeit den Text vor, ohne uns mit Feinheiten aufzuhalten.“

Seit einem Jahr leistet die Theaterpädagogin den Figuren Gesellschaft und tritt als Schauspielerin mit ihnen gemeinsam auf. „Ich mache eine andere Ebene auf und kann so noch besser mit den Kindern spielen und auf sie eingehen“, erklärt Leyendecker. Obwohl sie und ihre Partnerin während des Spiels zu sehen seien, würden die Kinder sie nicht wahrnehmen.

Spielen auch in sozialen Brennpunkten

„Sie kommen nach dem Stück auf uns zu und fragen: ,Hast du das auch gesehen?’“, erzählt Petra Lange. Die Reaktionen seien immer wieder aufs Neue beeindruckend. Das Tolle an ihrem kreativen Beruf sei das Direkte, Unmittelbare. Vom Entwickeln der Stücke, Bauen der Puppen bis hin zur Organisation, Buchung und den ­Auftritten liege alles in ihrer Hand.

Besonders berührend seien ihre Auftritte in sozialen Brennpunkten. „Da beaufsichtigen Zehnjährige schon ihre kleinen Geschwister, die Kinder sind eher laut, und wir wurden sogar schon vorher vor den Kids gewarnt. Doch dann sitzen die nach kurzer Zeit mit offenem Mund da und haben einfach nur Freude. Einen besseren Beruf gibt es eigentlich nicht“, strahlt Ina Leyendecker.

Das Repertoire der Struwwelköpfe besteht aus zehn Stücken für Kinder von drei bis zehn Jahren: Pinocchio, Die fürchterlichen Fünf, Frederick, Die Bremer Stadtmusikanten, Paule auf der Sonntagsinsel, Das Mondfest, Schmuddelgasse 11, Die ­Weihnachtsdiebe, Wenn Bäume träumen und Das hässliche Entlein.

Für Erwachsene können Die fürchterlichen Fünf und Die Bremer Stadtmusikanten in „verschärfter“ Form gebucht werden. Die Struwwelköpfe, ein reines Tourneetheater, arbeiten mit Tischmarionetten, Hand- und Stabpuppen, mit Klappmaulfiguren, Schauspiel und Gesang. Mehr Infos unter Tel. 410271 oder www.struwwelkoepfe.de.