Mülheim. .
Die ältere Generation scheint sich in Mülheim wohlzufühlen. Zumindest behaupten das die Zahlen des Städtereports „comdirekt“. Deren Statistiker haben nun errechnet, dass Mülheim – nach Chemnitz – die zweitälteste Stadt Deutschlands ist.
Die Quote der Menschen über 60 Jahre liegt demnach in Chemnitz bei 33,7%, in Mülheim bei 30,1%. Landesweit landet Mülheim unter den kreisfreien Städten sogar auf Platz eins. In Mülheim leben rund 168.000 Menschen, von denen fast 40.000 über 65 Jahre alt sind. Dem gegenüber stehen etwa 5100 18- bis 21-Jährige. Sind die Stadt, ihre Institutionen, Vereine und privaten Anbieter auf das Älterwerden der Bürgerschaft eingestellt? In welchen Bereichen gibt es genügend Angebote, wo klaffen Versorgungslücken? Eine Auswahl.
Leben in den Stadtteilen
Klaus Konietzka, Leiter des Sozialamtes, sieht Mülheim gut aufgestellt für eine der größten Aufgaben, die die Stadt in Zukunft zu leisten hat: das Älterwerden. Mülheim habe besonders viele Angebote, die auf die Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnitten sind. „Zumindest gibt es hier einige Besonderheiten, die es in anderen Städten nicht gibt“, meint Konietzka.
Zum Beispiel? „Vor einigen Jahren haben wir das Projekt ,Netzwerk der Generationen’ ins Leben gerufen.“ Bei diesem treffen sich Senioren regelmäßig in den Stadtteilen und legen Themen fest, die sie berühren, gestalten Nachmittage, planen Ausflüge, gar längerfristige Projekte. Die Netzwerke, die es in allen Stadtteilen gibt, werden von den Senioren selbst getragen – die Bürger an der Basis gestalten das Leben im Quartier, nicht die Stadt von oben. Weitere Pilotprojekte seien in Planung, etwa mit der Fachhochschule Köln oder dem Kuratorium Deutsche Altenhilfe.
Bildung
In keinem anderen Lebensbereich gibt es so viele Angebote für ältere Menschen wie in der Bildung. Vereine, Verbände, private Anbieter haben die Zielgruppe im Blick. Denn: Die heutige Generation der Ü 65 hat noch nicht ausgelernt, ist länger fit und bereit, neue Aufgaben anzugehen – Sprachen und neue Kulturen kennen zu lernen oder sich körperlich fit zu halten. Die Volkshochschule hat bereits vor vielen Jahren einen eigenen Fachbereich „Generation 55 plus“ geschaffen, um der hohen Nachfrage gerecht zu werden.
„Sicher im Verkehr“, „Gedächtnistraining“ oder „Fit und aktiv – EDV“ werden dort angeboten. „Wir achten aber darauf, dass wir bei der Menge an Angeboten, die es bereits gibt, keine neuen schaffen, sondern uns gegenseitig ergänzen“, erklärt VHS-Fachbereichsleiterin Henrike Donner. Dies sei am besten mit Kooperationen zu erreichen, etwa mit Alzheimergesellschaft, Polizei, ADAC oder Herzstiftung. „Wenn die katholische Bildungsstätte einen Selbstbehauptungskurs bietet, sollten wir nicht konkurrieren, sondern uns zusammenschließen.“
Pflegeangebote
Um ambulante und stationäre Dienstleistungen zu bündeln, tagen regelmäßig die runden Tische der Alzheimer Gesellschaft. „Private und städtische Anbieter sind darunter“, weiß Sylvia Eberlein vom Pflegedienst „Pflegepartner“, Mitglied in der Alzheimergesellschaft. Das Ziel: Die Versorgung quartiersnah und so lange wie möglich ambulant zu gewährleisten. Daher hat die Stadt im Februar 2010 sogenannte Pflegestützpunkte in den Stadtteilen geschaffen. Dies sind Anlaufstellen, in denen ältere und pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige unabhängig und unentgeltlich zu allen Fragen rund um die Pflege beraten werden.
Verkehr/Stadtplanung
Die Mülheimer Verkehrsgesellschaft (MVG), die Polizei oder auch der ADAC bieten immer mehr Seminare an, um ältere Menschen fit für den Verkehr zu machen. So gibt es u.a. Rollator-Fahrkurse, Fahrsicherheitstrainings im Auto, auf dem Fahrrad oder in Bus und Bahn.
Weil gerade Senioren gern mit E-Bikes und Pedelecs unterwegs sind, gibt es auch hierfür spezielle Sicherheitskurse, die die Polizei anbietet. „Cool ab 50“ heißt ein weiteres Kursangebot, bei dem Neuerungen im Verkehrsrecht angesprochen werden. Und um vor allem die ältere Generation vor Kriminalität zu schützen, bieten die Beamten der Kriminalprävention etwa die Vorträge „Schutz vor Trickbetrug an der Wohnungstür“ oder „Sicher unterwegs“ an. Außerdem werden mehrstündige Selbstsicherheitskurse für Senioren veranstaltet. Interessierte Gruppen können sich dafür anmelden: 0201/8290.
Eine Arbeitsgemeinschaft des Seniorenbeirats beschäftigt sich u.a. mit dem Thema Stadtplanung. Wo gibt es Stolperfallen in der Stadt, wo ist Verbesserungsbedarf? „Die Arbeitsgruppen sind offen für alle“, sagt Klaus Konietzka. Ohnehin sei Partizipation das Stichwort. „Bürger sollen sich einbringen, wir als Stadt wollen nur unterstützen.“
Freizeitangebote
Während Schüler, Studenten oder Schwerbehinderte häufig Ermäßigungen bekommen, gibt es für Senioren nur wenige Sondertarife. Die Mülheimer Bäder bieten keinen eigenen Seniorenrabatt, auch die Museen und Theater nicht. „Im Tourismus-Bereich würden dadurch wahrscheinlich 80 % der Einnahmen wegfallen“, weiß Marc Baloniak, Leiter der Tourismus-Abteilung bei der MST. Die „Best Ager“ sind es eben, die Stadttouren, Rundgänge oder Fahrten mit der Weißen Flotte buchen. Schließlich zählen sie – nicht nur im Tourismus – zur kaufkräftigen Zielgruppe. „Wir haben eher das umgekehrte Problem“, weiß Baloniak. „Wie können wir das jüngere Publikum erreichen?“