Mülheim. . Braucht man eine Gehhilfe, wird vieles anders: „Wer nicht mehr raus geht, verabschiedet sich peu à peu vom Leben.“ Deshalb macht der Mülheimer Polizeihauptkommissar Wilhelm Aufmhof Senioren ein besonderes Angebot: Er gibt ein Rollator-Training in der Volkshochschule.
„Stellen Sie sich mal vor’n Spiegel und schreien Sie sich selber an!“ Polizeihauptkommissar Wilhelm Aufmhof steht inmitten des Raumes D12 in der Volkshochschule (VHS) und blickt ernst in die Runde. Sechs ältere Damen sitzen im Halbkreis vor ihm und schauen interessiert zurück. Sie nehmen gerade an einem Rollator-Training teil – Tipps zum Schutz vor Überfällen inklusive.
Denn nicht nur die Handhabung des Rollators erfordere Übung, erklärt Aufmhof. „Es geht auch um die Besorgnis, wenn man sich draußen bewegt.“ Bewegung sei das Schlüsselwort: „Mobil bleiben, das ist wichtig. Wer aus Angst nicht mehr raus geht, verabschiedet sich peu à peu vom Leben.“ Um das zu verhindern, bietet der Hauptkommissar kostenlose Rollator-Kurse an, die Senioren sicherer im Umgang mit dem rollenden Gefährt machen sollen. Gestern erstmals in Mülheim, in Zusammenarbeit mit der VHS.
Stolperfallen sind nicht das Problem
Elisabeth Tinnefeld ist eine der vier Teilnehmerinnen, die mit ihrem Rollator vor dem Polizisten sitzen. Zwei weitere Frauen sind als Begleitung mitgekommen. „Ich habe den Rollator jetzt seit zweieinhalb Jahren“, sagt die 88-jährige Heißenerin. Und sie komme damit gut zurecht. Stolperfallen seien nicht das Problem, „sondern dass zu wenig Polizei unterwegs ist!“ Beinahe wäre sie neulich Opfer eines Überfalls geworden. „Wie kann ich mich schützen?“, lautet deshalb ihre erste Frage an den Kommissar. „Laut werden!“, antwortet der. Und gibt sogleich als „Hausaufgabe“: schreien üben.
Nach dieser ersten Lektion steht die richtige Handhabung des Rollators auf dem Programm. „Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass die Gehhilfe nicht richtig eingestellt ist“, sagt Aufmhof und zeigt den Damen, wie es sein sollte: Er stellt sich gerade hinter das Gefährt, lässt die Arme hängen. Die Griffe reichen ihm bis zum Handgelenk. „So ist es richtig.“
Freie Fahrt für Senioren
Ein anderer typischer Fehler: Die Haltung. „Viele schieben den Rollator gebeugt und legen damit ihr ganzes Körpergewicht darauf“, sagt Aufmhof und führt es vor. „Das macht Schwierigkeiten bei Kopfsteinpflaster und Bordsteinen.“ Zustimmendes Nicken aus der Runde. „Das kenne ich“, sagt Elisabeth Tinnefeld, „vor allem, wenn der Korb auch noch voll ist.“ Aufmhofs Tipp: „Versuchen Sie, gerade stehend hinter dem Rollator zu bleiben.“ Und – ganz wichtig – „immer mal ein Päuschen einlegen!“
So macht es auch Erika Fork: „Ich schäme mich auch nicht dafür“, sagt die 84-Jährige Dümptenerin. Seit zweieinhalb Jahren hat sie ihren Rollator nun. „Ich setze mich zwischendurch immer zehn Minuten hin und tucker dann weiter“, erzählt sie. „Die Leute kennen mich schon, ich habe überall meine Stammplätze.“
Buseinstieg stellt vor Probleme
Andere Dinge jedoch machen ihr Probleme: hohe Bordsteine und der Ein-/Ausstieg bei Bussen. Auch dafür hat Aufmhof einen Tipp parat: „Suchen Sie sich Absenkungen – und bitten Sie die Leute gezielt um Hilfe.“
Nach zwei Stunden und vielen praktischen Tipps sind die Teilnehmerinnen um manche Erfahrung reicher. „Ich habe viel gelernt“, sagt Erika Fork. Ihr Rollator gebe ihr Mobilität, zukünftig werde sie ihn noch besser im Griff haben. „Wenn es den Rollator nicht gäbe, könnte ich nicht mehr raus gehen und viele andere Leute auch nicht“, sagt sie. „Ich kann den Kurs auf jeden Fall weiterempfehlen.“