Mülheim. .
Mit ihren 1,85 Metern ist Lisa Vitting ein richtig großes Mädchen und momentan Mülheims bekannteste Sportlerin. Zugleich pendelt und wandelt die Schwimmerin, wie viele Ruhrgebietsmenschen, ganz selbstverständlich zwischen den Städten.
Ihren sportlichen Schwerpunkt verlagerte Lisa Vitting schon vor drei Jahren nach Essen, wo sie inzwischen zu den prominenten Gesichtern der dortigen SG gehört und sogar schon als „Sportlerin des Jahres“ im kleinen Schwarzen die Bühne betrat. Als Studienort wählte sie, nach dem Abitur am Otto-Pankok-Gymnasium, Bochum. Hier geht es bei ihr in Wirtschaftspsychologie mit dem Nahziel Bachelor of Science mal zügiger, mal langsamer voran. „Die ersten drei Semester habe ich relativ normal durchgezogen“, sagt die Schwimmerin, „jetzt im vierten konnte ich deutlich weniger machen.“
Wundert nicht, bei dieser trainingsintensiven Sportart, mit olympischen Ringen dicht vor Augen, zumal im Mai auch noch Europameisterschaften stattfanden, in Ungarn. Hier erlebte Lisa Vitting innerhalb von Stunden Höhen und Tiefen, denn im Vorlauf und nach dem Finale (bei dem sie mit der 4x100-m-Freistilstaffel Gold erkämpfte) quälten sie so heftige Magenschmerzen, dass sie ins Krankenhaus kam.
Kein Bauchweh vorm Wettkampf
Lag es an der Aufregung vor dem wichtigen Wettkampf? Lisa Vitting schließt das aus („es war ein Infekt und hatte mit Nervosität nichts zu tun“) und sagt in Erwartung ihres ersten Olympia-Starts in London: „Lampenfieber spüre ich noch nicht, sondern ich freue mich einfach nur.“ Mit „psychologischen Sachen“ habe sie bis jetzt noch keine Probleme gehabt, werde auch die bevorstehenden Wettkampftage „mit den drei anderen Mädels“ bewältigen, das gemeinsame Ziel fest vor Augen: „Wir wollen zumindest in den Endlauf kommen, unter die ersten Acht.“
Auftanken, zur Ruhe kommen kann Lisa Vitting nach wie vor besonders gut in Mülheim, wo sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder unter einem Dach in Holthausen wohnt („es hat sich angeboten, das so beizubehalten, eine eigene Wohnung würde nicht viel bringen“) und immer noch enge Freundschaften pflegt. „Ich würde schon sagen, dass hier immer noch mein Lebensmittelpunkt liegt.“ Ihr Lieblingsplatz in der Stadt? Den Ruhrkristall oder das Plati unten am Fluss findet sie „schön“, fügt aber hinzu: „In Mülheim bin ich fast immer zu Hause oder bei Freunden.“ Unterwegs ist sie ja schon genug. Auch ihr 21. Geburtstag am 9. Juli klemmte mitten in der Olympiavorbereitung.
Verrückter Urlaub nach Olympia
Wenn sie aus London zurückgekehrt ist, wird sich Lisa nach all der harten Arbeit einen Urlaub gönnen, der mit geplanten sechs Wochen Dauer nicht nur ausgedehnt ist, sondern auch „ziemlich verrückt“. Denn es soll um die halbe Welt gehen: „Erst fahre ich mit meinem Freund nach Südfrankreich, in Richtung Biarritz, dann möchte ich mit meiner Schwester nach Kolumbien fliegen, dort etwas herumreisen, und anschließend noch nach Bali, wo eine Freundin gerade ein Auslandssemester absolviert.“
Schick für Olympia
Das wären dreimal zwei Wochen, in denen das normale Training komplett Pause hat, auch nicht gejoggt oder geradelt wird. „Nach fast vier Jahren Vorbereitung muss das mal sein.“ Lisa Vitting möchte allerdings: Surfen lernen, ab und zu Beachvolleyball spielen, unter freiem Himmel entspannt schwimmen, was sie „total gerne“ tut, auch, „weil man nebenbei braun wird“. So begann übrigens auch ihre Wassersport-Karriere: Mama meldete die damals siebenjährige Lisa in den Ferien auf Elba zu einem Schwimmkurs an.
Irgendwann im Oktober treffen sich die Top-Athleten der SG Essen dann wieder in der Halle und „fangen ganz von vorne an“, wie Lisa sagt, vermutlich aber auf ordentlichem Niveau. . . Zur selben Zeit beginnt dann auch Lisas fünftes Hochschulsemester, und 2013, das steht schon fest, wird sie ein sechswöchiges Berufspraktikum bei Kienbaum in Düsseldorf machen. „Dort arbeite ich im Bereich Personalpsychologie – mal schauen, ob das vielleicht etwas für mich ist.“ Denn niemand kann ewig schwimmen.