Mülheim.
Aufgeregt war Paulina Schmiedel schon, Angst hatte sie aber nicht vor dem Staffelfinale über 4 x 50 Meter Freistil bei der Kurzbahn-Europameisterschaft im polnischen Stettin im Dezember 2011...
Die Mülheimer Schwimmerin Paulina Schmiedel, die als dritte Deutsche ins Wasser sprang, kraulte auf ihren 50 Metern so schnell wie nie zuvor und konnte es kaum fassen, als Schluss-Schwimmerin Daniela Schreiber vor den Däninnen als Erste in der Gesamtzeit von 1:39,29 Minuten anschlug. Goldmedaille!
Britta Steffen hatte die Freistil-Staffel in Stettin angeführt. Die 28-jährige Berlinerin, die großen Anteil daran hatte, dass die Integration der EM-Debütantin aus Mülheim so reibungslos verlief, zählte ebenso zum deutschen Quartett wie Daniela Schreiber (Halle/Saale), Dorothea Brandt (Berlin) und eben Paulina Schmiedel, die für die SG Essen schwimmt, ihre Wurzeln aber in Mülheim hat.
Sehr sportliche Familie
Hier wurde sie am 29. Mai 1993 geboren. Sie besucht die Otto-Pankok-Schule und wohnt in Saarn zusammen mit den Eltern Heike und Dirk sowie ihrem 16-jährigen Bruder Florian unter einem Dach. Sport spielt in der Familie Schmiedel seit langem eine große Rolle. Florian ist Mitglied im Golfclub Mülheim in Selbeck und hat es bereits bis zum beachtlichen Handicap drei gebracht. Paulinas Cousine Franziska, ebenfalls 18, zählt zum Hockey-Bundesligakader des HTC Uhlenhorst. Auch Franziskas Bruder spielt am Uhlenhorst erfolgreich Hockey. Er ist Jugend-Nationalspieler. Zwei weitere Cousinen, Kim und Pia, turnen überdurchschnittlich gut.
Paulina Schmiedel hatte im Alter von zehn Jahren mit dem Schwimmsport begonnen. Christel Dziallas war ihre erste Trainerin. Später wurde Paulina in die Fördergruppe der Start-Gemeinschaft Mülheim aufgenommen. Coach Harry Schulz brachte neben der Nationalschwimmerin Lisa Vitting auch Paulina Schmiedel auf den richtigen Weg.
"Training ist strukturiert und effektiv"
So richtig ab ging es im Training aber erst im Auslandsjahr am Plymouth College. Motivationsprobleme gab es nicht mehr, die Trainingsbedingungen waren ausgezeichnet. Zurück in Mülheim schloss sich die Gymnasiastin im Oktober 2010 der SG Essen an, weil es in dieser Schwimm-Hochburg eben weitaus bessere Entwicklungsmöglichkeiten gibt als in ihrer Heimatstadt. Von nun an zeigte die Leistungskurve rasant nach oben. „Das Training ist sehr strukturiert und effektiv. Bei mir schlug das sofort an. Innerhalb von wenigen Wochen verbesserte ich deutlich meine Zeiten.“ Über 100 Meter Schmetterling waren es gleich drei Sekunden – eine „Welt“ im Schwimmsport.
Der Aufwand ist allerdings auch immens. Manchmal – so Paulina Schmiedel – sei das Ganze schon nervig, aber die Goldmedaille bei der Kurzbahn-EM in Stettin ist eine satte Entschädigung. Dreimal in der Woche beginnt das Training schon vor der ersten Schulstunde, während sich die Mitschüler im Bett noch einmal gemütlich umdrehen können. „Mein schlimmster Tag ist der Mittwoch. Aber das geht schon. Solange ich Erfolg habe, macht es Spaß und ich komme trotz allem dazu, mit Freunden etwas zu unternehmen“, sagt Paulina Schmiedel.
Trainingsstart um 5.45 Uhr
Trainingsstart im Leistungszentrum in Essen-Rüttenscheid am besagten Mittwoch ist um 5:45 Uhr. Anderthalb Stunden später geht es auf zur Otto-Pankok-Schule – von 8 bis 13.15 Uhr. Zwischen 14.15 und 15.30 Uhr folgt der Schulsport. Danach muss sie sich mächtig beeilen, um an der drei- bis dreieinhalbstündigen, zweiten Trainingseinheit in Essen teilzunehmen. Um 20 Uhr geht es zur Physiotherapie. Eine Stunde später ist das Tagespensum geschafft.
Nur so ist es angesichts der starken nationalen und internationalen Konkurrenz möglich, im Schwimmsport etwas zu werden. Und Paulina Schmiedel ist auf dem besten Weg, nach einigen Erfolgen in ihrer Jugendzeit nun auch im Erwachsenenalter Top-Platzierungen zu erreichen.
Stettin könnte der Anfang einer steilen Karriere sein. Die sympathische und offene Mülheimerin gibt sich aber bei diesem Thema bescheiden. Auch von einem Start bei den Olympischen Spielen in London in diesem Jahr träumt sie (noch) nicht. Schmiedel: „Die Konkurrenz ist sehr stark. In London sehe ich mich nicht. Wenn ich dran bleibe, kann ich vielleicht 2016 ins Auge fassen.“
Das ist ein realistisches Ziel, denn die Leistungsexplosion in den vergangenen Monaten war von großem Ausmaß. Und mit dem Staffelsieg hat Paulina Schmiedel ihren Eintrag in die Sport-Geschichtsbücher schon gesichert. Schließlich war es die 100. deutsche Goldmedaille bei einer Kurzbahn-Europameisterschaft.
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