Mülheim.

Sie sitzt auf der Straße. Einfach so, und doch nicht so einfach. Stefanie (29) hat eine Drogenkarriere hinter sich. „Seit 2004 bin ich clean“, betont die junge Frau. „Ich komme immer dann, wenn die Markthändler da sind. Denn dann kommen die meisten Menschen in die Stadt. An den anderen Tagen ist es hier ja sehr leer geworden.“ Wenn in der City die Marktstände stehen, breitet Stefanie ihre Wolldecke aus und nimmt mit ihrer Schäferhündin Kiara an der Ecke Schloß- und Viktoriastraße Platz.

„Wo warst du? Du gehörst doch zum Stadtbild“, sagen Händler, wenn Stefanie mal aussetzt. „Mülheim ist eine gute Stadt. Die meisten sind freundlich und hilfsbereit“, meint die gebürtige Essenerin, die nun in Styrum wohnt.

„Wer gibt mir Arbeit?“

Heute ist ein guter Tag für Stefanie. Die Sonne vertreibt für ein paar Stunden den Juli-Regen. Ein kleiner Junge und eine Frau im Rollstuhl schenken ihr ein Lächeln und einen Euro. Eine Frau bringt zwei Dosen Hundefutter für Kiara vorbei. Ein junger Radfahrer stoppt, um ihr eine Flasche Mineralwasser hinzustellen. Wenn es gut läuft, hat Stefanie an einem Markttag zehn oder 15 Euro in ihrem Plastikschälchen. Wenn es schlecht läuft, bleibt die Schale leer und sie wird obendrein von Passanten beschimpft.

„Geh doch arbeiten“, bekommt sie oft zu hören. „Ich würde ja gerne. Doch wer gibt mir Arbeit?“, fragt Stefanie. Warum klappt das Arbeiten nicht? „Das hängt wohl mit meiner Vergangenheit zusammen. Da habe ich mir eine Menge Mist zugezogen.“ Stefanies Vergangenheit, das war ihre Heroinabhängigkeit in den Jahren 2000 bis 2004. Damals hatte sie den falschen Freund, der sie in die Drogenszene hineinzog. „Als ich es gemerkt habe, war es schon zu spät“, erinnert sie sich an ihr Leben mit dem falschen Halt namens Heroin.

Ein Strich durch die Rechnung

Die Rechnung wurde ihr später präsentiert. Das Lehrlingsgehalt der angehenden Malerin und Lackiererin reichte nicht für die Finanzierung des Drogenkonsums. Ladendiebstähle brachten das nötige Geld, brachten ihr aber aktenkundige Verurteilungen und Geldstrafen ein, die sie bis heute abbezahlt. „Du spürst kein Glück mehr und siehst die Sonne nicht mehr“, schildert sie die Endphase ihrer Heroinsucht, die 2004 mit ihrer Entgiftung in einer Essener Klinik endete. Damals ließ sie ihre Drogenfreunde hinter sich und ging nach Mülheim. Hier wohnte sie erst bei einer Familie, die sie aufnahm. Heute hat sie in Styrum eine kleine Wohnung, die sie mit dem Arbeitslosengeld II finanziert.

Hinzu kam, dass die Epileptikerin und Asthmatikerin aus gesundheitlichen Gründen ihre Lehre abbrechen musste. Aber es sind die Gerichtsakten, die ihr bei der Jobsuche immer wieder einen Strich durch die Rechnung machen.

Einige Erfolgsbeispiele

Licht am Ende des Tunnels sah Stefanie als ihr eine alte Dame in ihrem Blumenladen einen Aushilfsjob gab, der ihr ehrlich verdientes Geld brachte und Freude. Doch dann gab die Dame ihr Geschäft auf. „Ich habe mich erniedrigt und mit dem Betteln angefangen“, erzählt Stefanie. „Aber das ist sehr nervenaufreibend, und ich werde es auch nicht mehr lange machen.“

Wie sieht sie ihre Zukunft? „Ich wäre glücklich, wenn ich eine Ausbildung zur Floristin machen könnte“, meint Stefanie und erzählt von ihren Bewerbungen, die sie in einem Internetcafé schreibt. Unterstützung bekommt sie vom Oberhausener Zentrum für Ausbildung und Qualifikation und von der Arbeiterwohlfahrt. „Für Menschen wie Stefanie ist es wichtig, dass sie eine zweite Chance bekommen, um Anerkennung zu erfahren und eine feste Tagesstruktur aufrechtzuerhalten“, sagt ihre Ansprechpartnerin bei der Awo-Drogenhilfe, Jasmin Sprünken. Awo-Geschäftsführerin Adelheid Zwilling kennt einige Erfolgsbeispiele von Klienten, die den Wiedereinstieg in den Beruf geschafft haben. Sie weiß aber auch, wie schwer dieser Weg ist.

Praktikum als Sprungbrett

Denn Zwilling kennt die Vorbehalte, die viele Arbeitgeber gegenüber Ex-Junkies haben, wenn es um Zuverlässigkeit und Belastbarkeit geht. „Menschen wie Stefanie müssen glaubwürdig verkörpern, dass sie mit ihrer Drogenvergangenheit abgeschlossen haben und alles tun wollen, um beruflich wieder Fuß zu fassen“, sagt Zwilling. Als einzige Eingangstür in den Arbeitsmarkt sieht sie das Sprungbrett eines Praktikums oder eines befristeten Arbeitsverhältnisses.

Die Frau, die regelmäßig auf der Schloßstraße sitzt, lässt keinen Zweifel daran, dass sie aufstehen will, damit sie ihren beiden älteren Schwestern, die ein bürgerliches Familienleben führen, vielleicht von einem Praktikums- oder Ausbildungsplatz erzählen kann. Auch ihre verstorbenen Eltern wären dann sicher stolz auf sie.