Mülheim. 23.000 Mülheimer erhalten Hartz IV. Was kann die Stadt, was die Wirtschaft gegen einen weiteren Anstieg tun?

Die Nachricht ist alarmierend: Das Ruhrgebiet ist das Armenhaus Deutschlands. So lautet das Ergebnis eines bundesweiten Vergleichs des paritätische Sozialverbandes. Die sogenannte Armutsgefährdungsquote im Revier betrug im vergangenen Jahr 15,4 Prozent. Das bedeutet: Fast jeder Siebte verfügte über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens. Und wie sieht es in Mülheim aus? Die Studie nennt hier nur eine Zahl: 14,1 Prozent der Einwohner erhalten Hartz IV-Leistungen. 2005 waren es 11,2 Prozent. Im Klartext: Aktuell sind über 23.000 Mülheimer arm.

Was kann die Stadt, was die Wirtschaft gegen die Abwärtsspirale tun?

Sozialdezernent Ulrich Ernst weist darauf hin, dass Armut nicht nur materielle Armut bedeutet: „Dazu gehören auch Dinge wie eine geringere Bildung oder weniger Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.“ Und auf diese Benachteiligungen reagiere man mit unterschiedlichen Maßnahmen. Die wichtigste: „Wir müssen bei den Kindern anfangen, so früh wie möglich.“ Denn: Armut dürfe sich nicht von einer auf die nächste Generation vererben.

Familien schon mit der Geburt eines Kindes unterstützen

So sorge die Stadt dafür, dass Familien bereits mit der Geburt eines Kindes begleitende Unterstützung erhielten. „Eine andere Ebene ist das Projekt U 25, das sehr gute Vermittlungsquoten hat, um junge Menschen wieder zu aktivieren.“ Das Projekt Early Excellence in den Kindergärten gehöre ebenfalls dazu, wo das Potenzial von Kindern frühzeitig und richtig gefördert werde. „Ein weiterer Baustein sind unsere Hilfen, die wir etwa speziell in Styrum oder Eppinghofen anbieten.“

Im kommenden Februar will man sich mit Wissenschaftlern zusammensetzen, um zu besprechen, wo und wie man Erfolgsergebnisse messen kann. „Erste positive Zeichen haben wir im Bereich der Einschulungsuntersuchungen. Dort gibt es in einigen Bereichen bessere Ergebnisse als in den Vorjahren.“

Aufsuchende Elternarbeit

Gerne würde Ernst auch die sogenannte „Aufsuchende Elternarbeit“ etablieren: Pädagogische Fachkräfte gehen dorthin, wo Eltern sich aufhalten. Dies kann der Haushalt sein, aber auch der Kindergarten oder die Schule. Das besondere Merkmal: Die Fachkräfte nehmen Kontakt zu den Eltern auf – nicht umgekehrt. Ist ein Vertrauensverhältnis geschaffen, werden weitergehende Hilfen angeboten. „Dafür Mittel zu bekommen, wäre mein Wunsch für 2012.“

Den Weg einer möglichst frühzeitigen Förderung zu beschreiten, hält auch der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Jürgen Schnitzmeier, für richtig, denn: „Wir haben hier zwar einen starken Wirtschaftsstandort, aber viele haben nicht die notwendige Qualifikation, die gebraucht wird.“ Dabei engagiere sich die Wirtschaft durchaus: „Zum Beispiel was den Übergang von der Schule in den Beruf betrifft, oder das Handwerk engagiert sich in den Hauptschulen.

"Ich hoffe, dass sich das gesellschaftliche Engagement noch erhöht."

Doch für Menschen, die nur einen sehr schlechten oder überhaupt keinen Schulabschluss und/oder noch andere Probleme haben, fehlt es auch weiterhin an Jobs. Sollte man also den öffentlich geförderten dritten Arbeitsmarkt ausweiten? „Auch wenn ich mich da nicht so gut auskenne, meine ich, dass es viele öffentliche und gesellschaftliche Aufgaben gibt, für die Arbeitskräfte benötigt werden.“

An die Wirtschaft gerichtet appelliert er: „Ich hoffe, dass sich das gesellschaftliche Engagement noch erhöht.“