Mülheim.

Vor dem vertrauten Zifferblatt der Uhr am Rathausturm bewegte sich am gestrigen Mittwoch ein irritierend-bunter Fremdkörper. Bei genauerem Hinsehen entdeckte man einen Industriekletterer, der in rund 55 Metern Höhe über der Innenstadt baumelte, um die frisch vergoldeten Zeiger neu zu montieren. Ab sofort soll die Uhr wieder richtig gehen.

Das war in den letzten drei Jahren äußerst selten der Fall. Im September 2009, während der Rathaussanierung, wurde der elektronisch angetriebene Zeitmesser abgeschaltet: „Wir mussten auf Baustrom umstellen, der starken Schwankungen unterliegt“, erklärt Christina Holz, Marketing-Referentin der zuständigen Gesellschaft SWB. „Das hätte die Uhr beschädigt.“

Im Dezember 2011, zur Rathaus-Übergabe, wurde sie wieder angestellt, doch schon im Januar brannten die Motoren durch, die den Betrieb in alle vier Himmelsrichtungen besorgen. Altersschwäche machte ihnen zu schaffen, die Uhr war wohl seit sechs Jahrzehnten nicht mehr überholt worden. „In ihrem Inneren“, so Christina Holz, „griffen die Zahnräder nicht mehr richtig ineinander.“ Durch die Essener Fachfirma Zeitdienst Sorge wurde das prominente Stück in den vergangenen Monaten saniert, Motoren und Getriebe erneuert. Nach Angaben der SWB kostet die Reparatur rund 50.000 Euro.

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Drei Seiten des Rathausturms sind per Hubsteiger erreichbar, die vierte nicht, da dort die Rotunde liegt. Daher ging gestern der Freikletterer in die Höhe und ins Seil, um die Zeiger zu justieren. Ein Uhrmacher schaute ihm dabei auf die Finger. Nun, nach vollendeter Montage, müsste hier wieder alles auf der Höhe der Zeit sein. Der Reparaturbetrieb jedenfalls gewährt auf seine Arbeit die gesetzliche Garantie von fünf Jahren...

Ebenfalls im Mülheimer Rathausturm steht immer noch das mechanische Original-Uhrwerk von 1912, das bis Ende der 50er Jahre im Dauereinsatz war. Auf der achten Etage ist es gelagert, im ehemaligen Büromuseum. Das Herz der alten Uhr hat die Ausmaße eines Schreibtisches, versehen mit Drahtseilen, die sich seinerzeit durch den Turm zogen, und einem anderthalb Zentner schweren Gewicht, das tagtäglich aufgezogen werden musste.

Elektromotoren lösen das Uhrwerk ab

Das Familienunternehmen, aus dessen Werkstatt dieses Uhrwerk stammt, existiert noch: Korfhage & Söhne mit Sitz in Melle (Niedersachsen). „In Deutschland gibt es nur noch ein baugleiches Schwesteruhrwerk dieser Art“, weiß Stadtsprecher Volker Wiebels, „und zwar im Kölner Dom.“ Aufbewahrt hat man auch die Original-Zeiger der Mülheimer Rathausuhr, die jeweils 20 Kilo wiegen. Pro Stück.

Ende der 50er Jahre machten Elektromotoren das Uhrwerk arbeitslos. 2012, zu seinem hundertsten Geburtstag, möchte Mülheims Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld es aber nun mit einem Ehrenplatz bedenken: „Vor wenigen Tagen hat die OB entschieden, dass es abgebaut, gereinigt und an einer stark frequentierten Stelle im Rathaus mit erklärenden Hinweisen ausgestellt werden soll“, so Wiebels.

Man möchte verhindern, dass dieses seltene historische Stück verrottet oder gar verschrottet wird.