Mülheim. .

Der Zeitpunkt ist dem neuen Leiter des Amtes für Kinder, Jugend und Schule, Uwe Alex, ein wenig unangenehm. Aber, was soll er machen, die Mehrheit des Stadtrates wollte es so: Pünktlich zum Ferienbeginn muss die Stadt mitteilen, dass für viele Eltern die Beiträge für die Kita und die Offene Ganztagsschule (OGS) steigen werden. Zwar werden die Gebühren nicht erhöht, aber der Rat ändert den Einkommensbegriff.

Künftig wird jeder sein Einkommen nur noch geringfügig her­unterrechnen können. Die Folge: Man rutscht leicht in eine höhere Beitragsstufe. Glück könnten Familien mit geringem Einkommen haben. Bleiben sie in ihrer Stufe, wird es etwas preiswerter.

Starke Schultern tragen mehr

Der SPD war das schon lange ein Anliegen: „Wir wollen nicht länger hinnehmen, dass jemand, der viel verdient, sein Einkommen durch Sonderausgaben, Freibeträge, Werbungskosten und anderes klein rechnen kann und dann nicht viel mehr zahlen muss als jemand, der ohnehin nur wenig Geld hat“, sagt Fraktionschef Dieter Wiechering im Gespräch mit der WAZ. Dahinter stecke das ursozialdemokratische Ziel: Stärkere Schultern müssen auch mehr tragen. Künftig können vom Einkommen nur die Werbungskosten und der Kinderfreibetrag abgezogen werden, von da an wird der Beitrag berechnet.

Unumstritten ist das politisch nicht. Die CDU wettert: „Das bedeutet für viele Familien eine spürbare Mehrbelastung, die wir nicht wollen.“ Nach ersten Schätzungen der Union wird jedes zweite Elternhaus ab 1. August ein bis zwei Beitragsklassen höher eingestuft. „Das können bis zu 45 Euro im Monat, jährlich bis zu 540 Euro an Mehrkosten ausmachen“, so Fraktionschef Wolfgang Michels. In der Spitze sogar noch mehr. Besonders die Eltern, die Kinder in der Kita haben, würde dies treffen, denn deren Beiträge sind an die Beiträge für die OGS gekoppelt.

Mehr Geld muss für die OGS her. Die dortigen Vertragspartner der Stadt, die freien Träger, schultern das Angebot und müssen spürbar höhere Lohn- und Sachkosten aufbringen. Sie warteten schon seit ein paar Jahren auf eine Anhebung der städtischen Mittel, so Alex.

Paradoxe Situation

Für die FDP ist die Erhöhung ein fatales Signal. Wieder einmal sei es nicht gelungen, eindeutig eine Priorität für die Bildung zu setzen, klagt Meike Ostermann, die Vorsitzende des Bildungsausschusses. „Es wird vor allem den Mittelstand treffen und jene Eltern, die beide berufstätig sind.“ Eigentlich sollte der Trend in die andere Richtung gehen. Die Liberalen hätten gerne Vorschläge von der Verwaltung gehört, wie der Bedarf der Vertragspartner auf anderem Wege gedeckt werden könnte. „Wenn wir endlich klare Prioritäten im Haushalt setzen würde, wäre das möglich“, so Ostermann.

SPD, Mülheimer Bürgerinitiativen und Wir-Linke setzten die neue Gebührenordnung durch. Von einer paradoxen Situation sprechen die Grünen. „Das Land strebt eine komplette Beitragsfreiheit für Kitas an und die Stadt erhöht die Preise“, bedauert Tim Giesbert, sieht aber auch keine andere Möglichkeit, den Trägern der OGS zu helfen. Die Alternative zu höheren Beiträgen, so Alex, wäre eine Senkung der Qualitätsstandards. Heißt: weniger Personal für die Betreuung, größere Gruppen. An der Schraube hatte Mülheim schon gedreht und will es nicht noch einmal, denn Betreuung soll nicht zur Verwahrung werden. Darin besteht Einigkeit.