Mülheim. .
Die städtischen Kindertagesstätten stellen um. Bald wird überall nach dem „Early Excellence“-Konzept (EEC) gearbeitet, was nach Eliteförderung klingt, aber keine sein soll. Mülheim geht hier weiter als andere Kommunen, darum fand am Donnerstag in der Stadthalle eine Fachtagung zum Thema statt.
Rund 200 Teilnehmer informierten sich und hielten Workshops ab, nicht nur Erzieherinnen, auch Schulpsychologen oder Berater, angereist aus ganz NRW. „Ich finde es faszinierend, dass sich mit Mülheim wirklich eine Stadt auf den Weg gemacht hat“, meint Prof. Dr. Sabine Hebenstreit-Müller, die bereits zwölf Jahre „Early Excellence“-Erfahrung aus Berlin mitbringt und die Fachverwaltung hier vor Ort seit längerem berät.
Abschied von klassischer Gruppenstruktur
2008 startete ein Versuch in drei Einrichtungen, bis 2015 sollen alle 39 städtischen Kindertagesstätten gefolgt sein. Das ist beschlossene Sache – und eine kleine Revolution. Denn EEC bedeutet den Abschied von der klassischen Gruppenstruktur, in der die Kleinen bislang meist ihre Tage verbringen. Nach dem neuen Modell soll jedes Kind in seinem Rhythmus aus Angeboten wählen können, behält aber eine Bezugserzieherin als ständige Kontaktperson.
Die Umgestaltung sei eine „Entdeckungsreise“, findet Michael Vossebein, Leiter der Hummelwiese in Heißen, einer der Pilot-Einrichtungen. Hier gibt es nun nach dem Umbau mehrere Funktionsräume: Atelier, Bewegungsraum, Holzwerkstatt, „Schmause-Ecke“, Bücherei, Entdeckerraum . . . dazwischen offene Türen. Nicht nur Vossebein macht die Erfahrung: „Die Kinder stören sich weniger als früher. Es geht ruhiger zu.“
Daran mochten nicht alle Eltern gleich glauben, die doch im EEC-Programm als Experten gefragt sind. Die Kitas versuchen daher, sie von Beginn an einzubinden: als Umbau- und Einrichtungshelfer, in Elterncafés, mit Gesprächen. Und: Im Arbeitsalltag der Erzieher(innen) sind Teamsitzungen nun eine feste Größe.
Fachberatung aufgestockt
Finanziert wird das EEC-Programm in Mülheim weitgehend durch die Leonhard-Stinnes- und die August- und Josef Thyssen-Stiftung. Die Kitas bekommen kein zusätzliches Personal, vielmehr wurde die Fachberatung im Jugendamt mit Hilfe der Fördergelder von bislang drei auf sieben Mitarbeiter aufgestockt. Allerdings bleibt diese Verstärkung wohl nur bis 2015.
„Early Excellence“ soll dagegen unbefristet weiterlaufen, weitere Verbreitung ist erwünscht. So kamen zur Fachtagung auch Vertreter konfessioneller Kindergartenträger, und über eine Übertragung des Konzeptes auf Schulen wird zumindest nachgedacht.
Da in Mülheim etliche Jungen und Mädchen aus den Pilot-Einrichtungen inzwischen Tornister tragen, gibt es auch erste Erfahrungen, wie gut ihr Übergang zur nächsten Bildungsstufe gelingt. Dezernent Ulrich Ernst fasst das Feedback, das bis dato aus drei Mülheimer Grundschulen kam, so zusammen: „Die Kinder fallen nicht negativ auf. Eher positiv.“
Hervorgehoben wird, dass sie selbstbewusst auftreten (was manche Lehrer vielleicht auch als „vorlaut“ empfinden) und relativ selbstständig sind. Beides kann beim Schulstart sicher nicht schaden.
Anfänge und Grundsätze von „Early Excellence“
„Early Excellence Centres“ wurden in Großbritannien entwickelt und seit Ende der 90er-Jahre eingerichtet. Das erste deutsche EEC eröffnete im Jahr 2000 im Berliner Pestalozzi-Fröbel-Haus, dessen Direktorin Prof. Dr. Sabine Hebenstreit-Müller die Stadt Mülheim berät. Die Grundsätze von „Early Excellence“ lauten: Jedes Kind ist exzellent. Eltern sind in den ersten Jahren die wichtigsten Erziehungsexperten. Die Kita wird zum Familientreffpunkt.