Mülheim.

Jahr für Jahr entstehen an Schulen teilweise hervorragende Theaterproduktionen. Jahr für Jahr schaffen es theaterbegeisterte Lehrer, ihre Schüler für das Schauspiel, für Komödien und Dramen, zu begeistern.

Mit viel Elan, Hingabe, Fantasie und Engagement üben sich abertausende Pennäler als Mimen, präsentieren kreative, höchst unterhaltsame und sehenswerte Inszenierungen. Doch leider bleiben die Nachwuchsdarsteller bei der Präsentation meist unter sich, gemeinsam mit Eltern, Geschwistern, Lehrern. So war es auch wieder bei den abwechslungsreichen Schultheatertagen 2012 im Theater an der Ruhr.

Gerade einmal hundert Zuschauer genossen das gelungene Abschlussprogramm der 6. Mülheimer Schultheatertage im Theater am Raffelberg. Dabei hätte die bunte Theatercollage aus den Literaturkursen der Oberstufen aus Mülheim und Duisburg mehr Aufmerksamkeit verdient. Denn drei kurzweilige Stunden lang boten die jungen Damen und Herren ihrem Publikum teils hervorragende darstellerische Leistungen.

Alle Register gezogen

Da blitzten Talente auf, wurden mimisch, gestisch und sprachlich alle Register gezogen, da folgte ein guter Regieeinfall auf den anderen.

Das vorwiegend weibliche Ensemble der Otto-Pankok-Schule überzeugte mit einem langen Ausschnitt aus der werkgetreuen Version von Peter Turrinis „Der tollste Tag“. Natürlich geht es in dieser Komödie um Liebe, Lust und Leidenschaft. Theaterpädagoge Michael Bohn inszenierte mit den Gymnasiasten eine temporeiche Screwball-Komödie frei nach dem Beaumarchais-Klassiker „Die Hochzeit des Figaro“.

Nur hier ist der Figaro der Kammerdiener des Grafen Almaviva. Figaro liebt de Zofe Susanne, auf die es auch der arrogante Graf abgesehen hat. Am Ende aber überwindet Figaro die Intrigen des Grafen, übersteht auch einen absurden Gerichtsprozess und heiratet Susanne. Ein Happy-End.

Wörter fliegen durch den Bühnenraum

Nach kurzer Umbaupause stellten die Schülerinnen des Literaturkurses der Gustav-Heinemann-Gesamtschule ihr ambitioniertes „Dada“-Programm vor. In den kurzen Spielszenen, die die Schülerinnen selbst mit ihrem Lehrer Marcus Beling schrieben, steht immer nur ein Wort im Zentrum, z.B. „Kritik“, „Frei“, „Sein“ oder einfach nur „das“. Dieses eine Wort assoziieren jeweils vier oder fünf Schülerinnen dann frei. Im schnellen Dialog fliegen die Wörter durch den Bühnenraum, entwickeln sich immer neue Wortfelder. Das klingt zwar oft nach Nonsense, typisch Dada eben. Aber oft entwickeln sich auch kritische Assoziationen, die zum Nachdenken anregen.

Heitere Akzente setzte ein langer Ausschnitt aus Aristophanes antiker Komödie „Lysistrata“. Die vorwiegend weibliche Theatergruppe des Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums unter Leitung des Theaterpädagogen Christian Fremder arbeitete besonders gut die Botschaft des heiteren Klassikers heraus: „Alle Räder stehen still, wenn die Frau es nur will.“ Die Athenerin Lysistrata ruft alle Frauen der Stadt zum Sex-Boykott auf. So sollen ihre Männer gezwungen werden, die Waffen niederzulegen und den Dauerkrieg gegen das feindliche Sparta zu beenden. Der Streik der Frauen hat Erfolg: Sowohl die Männer aus Athen als auch ihre Geschlechtsgenossen aus Sparta stoppen den Kampf, freilich unter Protest.

Publikum spendete viel Applaus

Wie in Turrinis „Der tollste Tag“ amüsierten auch bei „Lysistrata“ die jungen Darsteller mit Wortwitz und Situationskomik die Zuschauer. Dazwischen trug eine Schülerin der Willy-Brandt-Gesamtschule ihren selbstverfassten, einfühlsamen Brief an ihre verstorbene, geliebte Großmutter vor. Musiker der Luisenschule spielten mit Piano und Gitarre ihre selbst komponierten, hörenswerten Rocksongs.

Das Programm moderierte Theaterpädagoge Bernhard Deutsch, der Leiter des Jungen Theaters an der Ruhr. Das Publikum spendete viel Applaus. Völlig zu recht.

Hintergrund:

Bei den Mülheimer Schultheatertagen werden nicht komplette Inszenierungen gezeigt. Die Arbeitsansätze der Theaterprojekte werden zur Diskussion gestellt, die Schüler miteinander ins Gespräch gebracht und Erfahrungen ausgetauscht. Es gibt keine Preise. Die Begegnung mit anderen Schulen ist das Ziel der Schultheatertage.