Mülheim. .
In der Wegwerfgesellschaft zu leben, hat auch sein Gutes. Sorgen um ihre Jobs müssen sich „Fritz the Cat“, „Schulti“ und der „Schwede“ bestimmt nicht machen. Die drei arbeiten für die Mülheimer Müllabfuhr. Sicher ein Knochenjob, aber einen anderen wollen sie alle nicht machen.
Traumjob Müllmann? Für die gängigen Vorurteile gegen ihre Berufsgruppe hat die Crew vom Müllwagen kein Verständnis. „Will mal wissen, was die Leute sagen, wenn wir nicht mehr kommen“, brummt Fritz „the Cat“ Silberkuhl. Er ist der Fahrer, Martin Hoffterheide, der eigentlich Bottroper und gar kein Schwede ist, und Andreas Schult(i) sind seine beiden Lader. Ein eingespieltes Team, Fritz steuert das 18 Tonnen schwere Fahrzeug durch die engen Straßen der Mülheimer Innenstadt, seine Kollegen schaffen die Tonnen ran. „Männerarbeit“, nennt das Schulti, und wer einmal eine volle 240-Liter-Tonne seine Kellertreppe hochgewuchtet hat, wird ihm zustimmen.
Das Fitness-Studio könnten sich Schulti und Schwede jedenfalls sparen. „Ich geh’ trotzdem hin“, sagt Schulti augenzwinkernd. Sieht man ihm an, mit seiner Statur könnte er auch beim Deutschen Ringerbund anheuern, wenn den Mülheimern irgendwann der Abfall ausgeht. Schwede dagegen ist eher der drahtige Typ, aber zwei volle Eimer stemmt er ohne Probleme.
Der tägliche Weg
Muss er auch, denn auf dem täglichen Weg durch dunkle Mülheimer Hinterhöfe und Schmuddelkeller ist einiges zu tun. Oft liegt Abfall einfach neben den Tonnen, Gerümpel versperrt die Zugangswege. Das macht die Arbeit nicht leichter. Rund acht Tonnen Hausmüll passen in die rotierende Trommel von Fritz’ Brummi. Jeden Tag dreht seine Truppe zwei Runden, und wer an diesem Morgen einen Blick auf den Parkplatz des Betriebshofs an der Pilgerstraße wirft, kann noch elf weitere Müllfahrzeuge entdecken. 44765,48 Tonnen Hausmüll, die in Mülheim etwa im letzten Jahr anfielen, müssen erst einmal abgeholt werden. Und damit it es längst nicht getan. In den vielen Lager- und Sortierhallen stapeln sich noch Kompost, Grünschnitt, Elektroschrott und Papiermüll.
Auch der große Kipper von Uwe, Günther und Peter, einer anderen Crew, hat hier am Betriebshof seinen Stellplatz, diese drei Mitarbeiter der MEG sammeln alte Möbel, Teppiche oder Sofas – Sperrmüll eben. Ihre erste Runde des Tages haben sie gerade hinter sich. 8,08 Tonnen Ladegewicht zeigt die große Waage am Eingangstor an. „Da weiß man, was man getan hat“, ächzt der 59-jährige Peter Gipp, als Günther und er dabei zusehen, wie Fahrer Uwe einen imposanten Haufen gepressten Gerümpels abkippt. 8080 Kilogramm haben sie von Hand durch die Ladeluke in den Wagen geworfen, die Bandscheiben lassen grüßen.
Zurück zu Fritz und seinem Team. „Wer sich das ausgedacht hat...“, motzt Schwede los, als ihr Wagen im „Müllrevier“ angekommen ist und in einer engen Straße in der Nähe des Polizeipräsidium anhält. Hier stehen keine Abfalltonnen auf der Straße, die schimmelnde Fracht verbirgt sich oft unter der Erde. Der Mülheimer bezahlt nämlich nicht einfach pauschal für die Abholung seines Abfalls. Er kann buchen, ob er die Tonne selbst an den Straßenrand rollt oder aus dem Keller abholen lässt. Es gibt Tarife für bis 10 Meter Abholstrecke, bis 30 oder gleich bis 100 Meter, Treppenstufen und Keller kosten extra.
Nicht von jedem Haus den Schlüssel
In dieser Straße jedenfalls fallen einige Zusatzkosten an. Schwede stiefelt mit einem dicken Schlüsselbund auf ein Mehrfamilienhaus zu, Schulti drückt virtuos auf der anderen Straßenseite auf die Tasten des Klingelbretts, als würde er eine Klaviersonate anstimmen. „Wir haben halt nicht von jedem Haus einen Schlüssel“, kommentiert er mit einem verschmitzten Grinsen, „rein muss ich trotzdem.“ Die Tür geht auf, irgendwer ist immer zu Hause.
Zeit für einen lockeren Plausch mit einem der Anwohner bleibt selten. Kopf einziehen, nicht über die Rattenfalle an der Ecke stolpern und rein in den Keller. Eine Tonne rechts, eine links und wieder hoch. In manchen Kellern drängeln sich bis zu 20 Behälter und sonderlich geräumig sind die unterirdischen Geschosse selten. Für den Schweden nichts Neues. Bevor er vor über 16 Jahren bei der MHEG anheuerte, war er als Bergmann auf „Prosper“ in Bottrop unter Tage an der Kohle. „Aber dann ging das Zechensterben los und ich bin hier in Mülheim gelandet.“ Seitdem bringt er statt voller Kohlenloren grüne Plastiktonnen ans Tageslicht, Kellergold statt Grubengold.
Berüchtigte Einbahnstraßen
Während Schulti und Schwede von Haus zu Haus ziehen, hat Fritz draußen ganz andere Probleme. Mülheim ist berühmt und berüchtigt für seine Einbahnstraßen. Wenn da ein Müllwagen drin steht, kommt kein anderes Auto vorbei. „Ich versuch’ ja schon immer Platz zu machen“, stöhnt der Fahrer, aber oft staut es sich eben doch. „Kann mich ja nicht wegzaubern.“ Da muss man ein dickes Fell haben, Hupkonzerte sind an der Tagesordnung, Vogelzeigen oder ausgestreckte Mittelfinger sind für Fritz auch nichts Neues. „Ist halt so“, sagt Fritz lakonisch, „die Leute wollen zwar, dass ihr Müll verschwindet, aber mal eine Minute warten ist vielen schon zu viel.“
Endlich sind die drei mit der Straße ist fertig, Schwede und Schulti springen auf die Trittbretter hinten am Wagen, halten die Nasen in den Fahrtwind, Fritz drückt aufs Gaspedal. „Ich arbeite gerne draußen“, lässt Schulti wissen, auch ein Grund, warum er zur Müllabfuhr gegangen ist. Meistens jedenfalls. Die bis vor wenigen Tagen eisglatten Straßen machten die Fahrerei für Fritz zur abenteuerlichen Schlitterpartie. Seine Lader mussten die Tonnen über große Schneehaufen am Straßenrand stemmen. Und bei Eisregen hinten auf dem Wagen zu stehen, ist auch nicht gerade ein Zuckerschlecken.
Oder wie es Schulti vermutlich ausdrücken würde: Männerarbeit eben.