Mülheim. .
Die Unterbringung von Kleinkindern kann ein Aufreger sein, selbst wenn sie auf den ersten Blick bestens läuft. 22 Eltern einer privaten Kita beklagen in einem offenen Brief die „mangelhafte Betreuungssituation“ für unter Dreijährige in Mülheim und „Ungerechtigkeit bei der Bezuschussung“.
Ihr Nachwuchs besucht „Kind & Co.“ in Winkhausen: eine private Einrichtung, die ausschließlich U3-Betreuung anbietet, täglich von 7 bis 17 Uhr, und keine Ferien kennt. Buchen kann man zwischen 15 und 45 Stunden pro Woche, Tage und Länge beliebig. „Derzeit haben wir hier 30 Kinder im Alter ab sechs Monaten“, erklärt die Diplom-Pädagogin Margarete Protze, die „Kind & Co.“ seit zwölf Jahren betreibt.
Eltern fordern Zuschüsse
In dem Elternbrief mit 20 Unterschriften steht viel Nettes über die Einrichtung: familiäre Atmosphäre, gemütlich gedeckter Tisch, vertraute Bettchen für den Mittagsschlaf, individuelle Förderung... zufrieden wirkende Kleinkinder. Was die Mütter und Väter ärgert, sind die Beiträge: „Wir zahlen 6 Euro pro Stunde, hinzu kommen die Kosten für die Verpflegung.“ Wie sich das summiert, rechnet Rajka Tomczak vor, deren anderthalbjährige Tochter 15 Wochenstunden in der Kita verbringt: „Wir zahlen genau 446,30 Euro, inklusive Essen.“
Ermäßigungen für Geschwister oder Familien mit geringerem Einkommen, gibt es keine, was Margarete Protze bestätigt, jedoch Teil ihrer Kalkulation ist. „Bezuschusst wird das Ganze nicht“, ärgern sich derweil die (überwiegend berufstätigen) Eltern, „was für uns nicht nachvollziehbar ist“. Schließlich gebe es, wenn ein Kind von einer Tagesmutter betreut wird, einen Zuschuss von 3,50 Euro pro Stunde. Sie fordern „Betreuung und Förderung nach einheitlichen und gerechten Maßstäben“.
Private Betreiber wirtschaften selbständig
Bei der Stadt, indirekt angesprochen, kann man die Kritik teilweise nachvollziehen, stellt aber einige Punkte richtig. „Hier werden Sachen vermengt“, vermutet Lydia Schallwig, stellvertretende Leiterin des Jugendamtes. Es gebe in der Tat eine Unterstützung für Tagesmütter, „aber die beeinflusst nicht die Elternbeiträge“. Diese richten sich, bei Tagespflege, städtischen wie auch kirchlichen Kitas, stets nach einer Tabelle in der Beitragssatzung, die der Rat der Stadt beschließt. Derzeit sind dies für unter Zweijährige, je nach Stundenzahl und Einkommen der Familie, zwischen 0 und 580 Euro.
„Wer als privater Betreiber dagegen nicht von Stadt oder Land gefördert wird, bewirtschaftet die Einrichtung so, wie er es braucht“, erläutert Schallwig. Um Zuschüsse zu bekommen, müsse man sich den Regelungen des Kibiz beugen und bestimmte Vorgaben erfüllen, „beispielsweise berücksichtigen, wie viele und welche Plätze in einem Stadtteil gebraucht werden“.
"Ziel bis 2013 erreichen"
Julia J., Juristin und Mutter eines Zweijährigen, der „Kind & Co.“ besucht, hätte einen öffentlich geförderten Kita-Platz gerne genommen. Doch als sie suchte, war keiner frei: „Wir haben uns bei neun Kindergärten beworben, aber nichts bekommen.“ Im August wechselt ihr „Großer“, der dann drei ist, in eine katholische Kita, während der kleine Bruder, noch ein Baby, zum 1. Oktober bei „Kind & Co.“ beginnt. „Ich zahle dann monatlich fast 1300 Euro, damit meine Kinder versorgt sind“, sagt die Mülheimerin. Das findet sie happig und ergänzt, ironisch, „statt dessen gibt es jetzt das Betreuungsgeld“.
Die „Herdprämie“: Gesetz ist sie noch nicht, aber vom Kabinett soeben beschlossen. In Berlin, wohlgemerkt, nicht in Mülheim. Hier gestaltet sich der Ausbau der U3-Betreuung als mühevolles Stückwerk: „Wir haben ein Problem“, sagt Lydia Schallwig, „das ist bekannt, aber wir werden alle Anstrengungen unternehmen, das Ziel bis 2013 zu erreichen.“
Plätze für Kleinkinder: der neueste Stand
Zu Beginn des neuen Kindergartenjahres, am 1. August 2012, werden in Mülheim nach Angaben des Jugendamtes insgesamt 825 Betreuungsplätze für unter Dreijährige (U3) zur Verfügung stehen.
Davon sind 588 Plätze in Kitas eingerichtet, 237 weitere bei Tagesmüttern. Geschätzter Bedarf: 1021 Plätze.