Mülheim. . Am Plangebiet Tilsiter Straße ist ein neues Problem aufgetaucht: Regen, der nicht versickert

Um den umstrittenen Bebauungsplan Tilsiter Straße und Oppspring ist es ruhig geworden. Das bedeutet nicht, dass daran nicht gearbeitet würde. Die Stadt wie auch die Bürgerinitiative „Frischluft für Mülheim“ beschäftigen sich mit Gutachten zu dem inzwischen auf höchstens 20 Häuser zusammengeschmolzenen Bebauungsplan, von dem die Initiative negative Auswirkungen auf das Stadtklima befürchtet, da der Zufluss der wichtigen Kaltluftschneise blockiert würde.

Sickerwasser könnte über Kanalisation abgeleitet werden

Aktuell geht es um ein vom Eigentümer der Fläche, Hermann Schulten-Baumer, in Auftrag gegebenes hydrologisches Gutachten, das dem Plangebiet Probleme mit der Versickerung des Regenwassers attestiert. „Der Gutachter gelangt zu dem Fazit, dass eine Versickerung bei den Bodenverhältnissen nicht möglich ist“, sagt Britta Stalleicken, die Sprecherin der Initiative. Schon jetzt würde nach starken Niederschlägen das Regenwasser oberflächennah den Hang hinunterlaufen. Dort befindet sich das denkmalgeschützte Feierabendhaus, das Mitte der 1920er Jahren von den Architekten der Stadthalle und des Rathauses, Großmann und Pfeifer, geplant worden sei.

Im vergangenen Jahr soll laut Stalleicken schon wiederholt Wasser in den Keller eingedrungen sein. „Besonders oft strömt das Wasser vom Hang, wenn das Feld nicht bestellt war“, so Stalleicken. Sie sorgt sich um die Bausubstanz des Gebäudes. In einem Brief an die SWB-Geschäftsführung hat sie auf ihre Sorgen hingewiesen und zur Einsichtnahme in die Bauunterlagen geraten. Haben die natürlich schon. Der Gutachter sei auf Löss gestoßen. „Der Löss ist aufgrund seiner sehr geringen Durchlässigkeit nicht für eine Versickerung von Regenwasser geeignet“, zitiert Stalleicken den Gutachter. Dessen Empfehlung: „Das Sickerwasser sollte in die städtische Kanalisation eingespeist werden.“

Wie KALTLUFT ENTSTEHT

Seit vier Jahren schon wird um die Fläche gerungen. Gutachten wurden erstellt, die Bebauung deutlich reduziert und aufgelockert und über 3000 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt sowie Klimawächter verkauft. Schon 2003 wurde in dem beim damaligen KVR und der Uni Bochum in Auftrag gegebenen Gutachten die Bedeutung des Kaltluftentstehungsgebietes herausgestellt. Die Kaltluftschicht entsteht gegen 1 Uhr nachts. Gegen 5 Uhr hebt sie sich vom Boden ab und fließt allmählich ins Tal. Von dort zieht der Kaltluftstrom bis zu den Hochhäusern am Hans-Böckler-Platz und wird dort verwirbelt. In zwei Gutachten wurde dieses Ergebnis bestätigt, in einem allerdings , auf das sich Rat und Verwaltung stützen, stark relativiert.

2008er Gutachten möglicherweise falsch

Nach Einschätzung von Jürgen Liebich vom Stadtplanungsamt sind die Probleme technisch lösbar. Seit 1996 müssten alle technischen Optionen ausgeschöpft werden, um eine Einleitung in die Kanalisation zu verhindern. Es sei also die letzte Möglichkeit. Am Oppspring gebe es allerdings, so Liebich, ein Kapazitätsproblem. Am Hang sei vermutlich eine Schachtversickerung möglich. An einigen Punkten müsste der Boden so tief ausgegraben werden, bis man auf Kies stoße. Auch Rigolen als unterirdische Pufferspeicher seien denkbar.

Stalleicken kündigt an, dass sie bereits das Ergebnis eines weiteres Klimagutachtens vorliegen habe, in dem die Kaltluftentstehung und der Abzug in Richtung Innenstadt klar nachgewiesen werde. „Es funktioniert einwandfrei – wie im Lehrbuch“, so Stalleicken. Es ärgere sie, dass sich die Politiker immer auf ein Gutachten von 2008 bezögen, das sie für falsch hält. Neben methodischen Schwächen kritisiert sie, dass zum falschen Zeitpunkt, an der falschen Stelle und noch dazu in der falschen Höhe gemessen worden sei. Es verwundere sie aber immer wieder, dass die Stadt, wie bei der Bewerbung für Innovation City, mit dieser Kaltluftgewinnungszone am Rumbachtal werbe. „Konsequent wäre es, wenn dann auch die Fläche tabu ist.“

"Eine Salamitaktik wird es nicht geben"

Nach der Sommerpause erwartet Liebich die nächsten Verfahrensschritte, sieht aber durch die zurückhaltende und aufgelockerte Bebauung keine große Beeinträchtigung. „Das wird sich im Promille-Bereich bewegen“, ist er sich sicher. Er geht davon aus, dass sich die Häuser sehr gut verkaufen lassen. „Eine Salamitaktik wird es aber nicht geben. Mit den 14 Häusern ist endgültig Schluss“, versichert er. Eine zusätzliche Wohnbebauung sei nur durch einen weiteren Bebauungsplan möglich. Im Rahmen der öffentlichen Auslegung werde die Stadt im Herbst noch einmal zu einer Versammlung vor Ort einladen, bei der die Planungen und die Gutachten auf den Tisch kommen, kündigte er an.