Mülheim. .
Es ist das erste alternative Wohnprojekt dieser Art, und nach jahrelanger Planung nimmt es endlich Gestalt an: Die Mitglieder des Vereins „Leben in Nachbarschaft – alternativ“ (LINA) und die Verantwortlichen des Mülheimer Wohnungsbaus (MWB) unterzeichneten jetzt einen Kooperationsvertrag. Dieser legt fest, dass die Wohnungsbaugenossenschaft das Haus Senfkorn entsprechend der LINA-Wünsche barrierefrei für das „Leben im Alter“ um- und ausbaut. 12 bis 13 Wohnungen werden so entstehen, die letztlich nur Vereinsmitglieder werden mieten können. Der erste Umzugskarton, schätzt LINA-Vorsitzender Peter Brill, könnte im Frühjahr 2014 ausgepackt werden.
Als das Wort „Wohngemeinschaft“ fällt, protestieren die anwesenden LINA-Mitglieder heftig. Vielmehr seien sie eine „Hausgemeinschaft“; immerhin hat jeder seine eigenen vier Wände samt Wohnungstür, die man schließen kann. Ganz falsch ist der erstgenannte Begriff aber dennoch nicht: Denn trotz aller Individualität wollen sie eine Gemeinschaft sein, die unter einem Dach wohnt und sich umeinander kümmert.
So lange wie möglich selbstbestimmt leben
Das war die Grundidee, mit der sich die Gruppe, so wie sie heute besteht, im Jahr 2010 zusammenschloss. „Im Alter verändert sich die Lebensqualität“, sagt Udo Bremer. Ihm sei es wichtig, „so lange es geht, selbstbestimmt zu leben. Und das lässt sich nur in einer Gemeinschaft bewerkstelligen, die solidarisch ist.“ Solidarisch miteinander und mit der Nachbarschaft ist in diesem Fall gemeint. Denn der Verein sieht sich als Teil des Stadtteils, des Quartiers. Ihnen ist nicht nur wichtig, wie Renate Görke formuliert, „sich gegenseitig anzuregen und zu inspirieren“, sie wollen auch „Wellen nach außen schlagen“. Deshalb sei LINA Mitglied des Netzwerks Saarn.
Das ist evangelisch getragen. Einziehen werden die Saarner, die zwischen 55 und 65 Jahre alt sind, in ein Haus, das die MWB der katholischen Kirche abgekauft hat. So kommt für die Vereinsmitglieder gleich noch eine ökumenische Komponente hinzu. Die Gruppe hat sehr konkrete Vorstellungen, wie sie künftig leben will. Viele Wohnprojekte haben sie sich angesehen, haben dabei laut Martha Mecklenbeck gesehen, was für sie denkbar ist und was nicht. Nicht zu groß sollte es sein, Wohnkomplexe mit 50 Einheiten empfanden sie als zu anonym. „Da fehlt die Geborgenheit“, sagt Marie Konietzka. Außerdem haben sie gemerkt, „dass die Architektur das soziale Miteinander hemmen und fördern kann“, sagt Udo Bremer. Auf die Fachleute des MWB kommen also klare Forderungen zu. Auch für das Unternehmen ist das nun begonnenen Projekt Neuland, sagt Dr. Yvonne Boenke, Leiterin des Vereins „Mülheimer Nachbarschaft“, der ein Projekt des MWB und ebenfalls in das Projekt einbezogen ist: „Natürlich ist es für uns ungewohnt, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die genau wissen, was sie wollen. Aber es ist auch sehr spannend.“ Sie ist davon überzeugt, dass beide Seiten profitieren.
Haus Senfkorn denkmalgeschützt
Laut aktuellem Stand wird das denkmalgeschützte Haus Senfkorn, ein ehemaliges Pfarrhaus in direkter Nähe zum Kloster, saniert. Zudem wird auf einem benachbarten Grundstück ein weiteres Gebäude entstehen und mit dem Denkmal verbunden. 12 bis 13 Wohnungen sollen es werden, zugeschnitten auf die Wünsche der einziehenden LINA-Mitglieder. 2,5 Mio. Euro, so Yvonne Boenke, habe man dafür insgesamt „grob kalkuliert“. Die LINA-Mitglieder werden die Wohnungen mieten, von 8 bis 9 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter geht Peter Brill aus. Bewusst habe man sich gegen eine Lösung mit Eigentumswohnungen entschieden, sagt Korinna Brill. Alle sollen gleichberechtigt sein. Nach langer Planung soll es schnell losgehen: Noch in diesem Monat trifft sich der frisch gewählte Planungsausschuss des Vereins erstmals mit den Architekten des MWB.