Völlig kaputt, aber glücklich, geschafft ohne Ende, aber komplett begeistert – so kommt der Mülheimer Lederfabrikant Kurtludwig Lindgens nach dem 1600 km/h-Rennen der legendären „Mille Miglia“ in der norditalienischen Stadt Brescia an.
Völlige Übermüdung und Kreuzschmerzen sind bei dem historischen Drei-Tage-Rundkurs Brescia-Rom und zurück absolute Nebensache. Was zählt, sind die vielen Eindrücke, die die Fahrer mitnehmen und von Impressionen gab es auch 2012 wieder genügend. Für die Tortur-Tour in dem rot-schwarzen Cabrio Austin-Healey zeigt das italienische Wetter von Nord bis Süd, was es kann. Die Sonne brezelt vom Himmel, die Schönheit des Landes ist allseits bekannt und die Menschen jubeln an den Straßenrändern wie in jedem Jahr.
Im nächsten Jahr wieder dabei
„Absolut begeisternd ist die Lebensfreude der Italiener, die freundliche Atmosphäre überall und die Stimmung rund um das Rennen“, schwärmt Lindgens. „Wenn es geht, bin ich im nächsten Jahr wieder mit dabei“, das steht für ihn heute schon fest.
Dabei ist in den drei Tage Schlafen ein Fremdwort, höchste Konzentration ist angesagt, Komfort in diesen alten und liebenswerten Schätzchen Mangelware. So gemütlich, wie die Oldtimer aussehen, sind sie beim längeren Sitzen natürlich nicht. Da spürt das Kreuz mit jedem Kilometer mehr das kleinste Schlagloch, jedes Kopfsteinpflaster hinterlässt auf der Wirbelsäule seine Spuren. Aber das steckt ein Mille-Miglia-Fahrer doch locker weg.
Keine Servolenkung
Mit weit über 100 km/h brettern die Boliden über das Straßenpflaster. Und von wegen Servo-Lenkung. Wer starke Arme bekommen möchte und um Fitnessstudios einen Bogen macht, sollte sich einen Oldtimer anschaffen. Da ist Muskelkraft pur gefragt. Aber Entschädigung gibt es für die Fahrer, wenn sie an der Engelsburg in Rom von der jubelnden Bevölkerung empfangen werden. Ähnlich einzigartig muss der Einzug der Gladiatoren einst gewesen sein.
Was der BVB fürs Ruhrgebiet ist, bedeutet die Mille Miglia für Rom. Tausende völlig begeisterter Nachtschwärmer warten am Tiberufer stundenlang auf die Ankunft der „macchina d’epoca“, des Oldtimers. Und dann sind sie nicht mehr zu halten, streicheln die Wagen, fragen die Fahrer, wo sie herkommen, kramen die wenigen Deutschkenntnisse heraus, um genauere Informationen zu bekommen. Dann haben die Italiani keine Augen mehr für ihre Liebste, dann zählen nur noch Motorstärke und Form.
"Ein bisschen bekloppt muss man sein"
„Ein bisschen bekloppt muss man wirklich sein“, räumt Kurtludwig Lindgens ein. Aber für den früheren Mülheimer Stadtmeister im Seifenkistenrennen hat Geschwindigkeit eine unwiderstehliche Anziehungskraft. Gemütlich mit dem Oldtimer durch die Lande zuckeln, ist was für Weicheier. Aus dem alten Schätzchen auf der Piste rausholen, was möglich ist, hat seinen Reiz. Satte 140 km/h zeigt der Tacho an, wenn’s gut läuft. „Aber der lügt, eigentlich schafft der Motor nur 125 km/h“, räumt der 69-Jährige ein.
Während sich Lindgens bei der Mille Miglia dem Spaß und Genuss des Rennens widmet, ist Bernd Gilles der Mann fürs Grobe und Feine. Wenn der Austin-Healey bockt, es ihm schlecht geht, er nicht mehr weiter will oder Durst auf Öl hat, dann ist „der Schrauber“ wie der Mülheimer Gilles sich selbst bezeichnet, die wichtigste Person. Er ist quasi das Innenleben des Oldtimers, weiß sofort, wo es zwickt und kneift. Unverzichtbar dieser Mann bei so einer Tour.
Dabei sein ist alles
Als auf der Fahrt von Rom nach Brescia – da liegt der Austin noch als 225ster von 375 Wagen im Mittelfeld - die Kupplung ausfällt, ist Gilles zur Stelle und richtet es wieder. Als dann wenig später auch die Bremse bockt, greift er wieder erfolgreich ein, der Medizinmann für Oldtimer.
Die plötzlichen Krankheiten seines Wagens bringen Lindgens zwar Minuspunkte und eine Menge Zeitverlust, aber er kommt an in Brescia. Sonntagmorgen um 1.15 Uhr. In die Wertung kommt er nicht mehr, weil er – wie einige Fahrer auch - durch den Zeitverzug das letzte Stück über die Autobahn gefahren ist. Egal. Dabei sein ist eben alles.
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