Mülheim. .

Dass das schieferverkleidete Wohnhaus an der Folkenbornstraße in Heißen mal ein alter Milchhof von 1908 mit einem kleinen Tante-Emma-Laden war, sieht man dem renovierten Gebäude heute nicht mehr an. Der Anbau, in dem Martina M. (Marta) Deli ihr Atelier hat, war früher der Kuhstall. Statt Milch wird hier jetzt Kunst gewonnen. Bis unters Dach. Dort hat die zierliche Künstlerin ihr Atelier.

Martina Deli arbeitet an einem riesigen Tisch, Spielraum für Ideen, Entspannung und Energie gibt’s gegenüber in der bequemen Sitzecke, wo Getränke und gesunde Naschereien auf einer antiken Anrichte stehen. Die beiden erwachsenen Söhne gehen ihre eigenen Wege. Sie unterrichtet in Teilzeit als Kunstlehrerin an einem Essener Berufskolleg, da bleibt noch genug Raum für eigene Kreativität. Oder auch nicht, denn Martina Deli sprudelt nur so vor Energie. So quirlig wie die brünette Frau selbst ist, so viel passiert auch in ihren Bildern. Und die sind immer für eine Überraschung gut. Auf dem schmalen Grad zwischen Trubel und Ruhe bewegt sich ihre Kunst in einem Balance-Akt.

Vielseitige und eindrucksvolle Kunst

Freie Grafik, Malerei und Kunstgeschichte studierte Deli in Kiel. Aus der Grafik kommend, hat die 47-Jährige früher überwiegend gezeichnet. „Aber da dachte ich mir, es muss noch irgendwas anderes dazu kommen.“ So hat sie die klare Formensprache der Zeichnung und das Gegenständliche im freien Spiel mit der Abstraktion verbunden. Denn: „Was ich nicht will, ist, die Wirklichkeit ganz abbilden.“

Es sind die weichen, organischen Formen mit ihren sanften Rundungen, die sich in ihren Gemälden aus Mischtechnik wiederfinden: Kreise, Ovale, Trauben, Tuben, Trichter sind meist gepaart mit echten Pflanzen aus der Natur. Blütenstängel, Pusteblumen, Gräser, Hafer, Schachtelhalme, Blätter und Farne hat sie direkt auf den Untergrund gedrückt, eins zu eins umgesetzt.

Eine wundersame biomorphe Welt mit mythischen Fabelwesen entwirft Martina Deli in ihren dichten Gemälden. Farben korrespondieren harmonisch miteinander, da taucht plötzlich eine unerwartete Nuance auf, die den reizvollen Kontrast ausmacht. Es sind Bilder mit Aha-Effekt.

Ein zweiter Blick lohnt sich

Die unterschiedlichen Techniken schaffen Differenziertheit und Tiefe: Graphitzeichnung, Materialdruck, Aquarell- und Spritztechnik. Acryl, Lack, Graphit, Tusche, Wachs, Textiles und alles, was Martina Deli sonst noch so zwischen die Finger gerät: „Ich experimentiere leidenschaftlich gern.“ Und irgendwann ist es gut genug, dann müssen Pinsel, Stifte und Farbtöpfe weg, „dann muss ich aufpassen, dass es nicht zu viel wird“. Sie ist eine, die sich in ihrer Kunst verlieren kann. Das zeigen aparte, aus bemalten Papierstreifen geflochtene Bilder, die ganz kleinteilig oder großzügig verwoben werden. Mit nahezu textiler Wirkung.

Ein Bild hängt wie ein Teppich an der Wand. Bei der Webtechnik bleibt es dem Zufall überlassen, welches Motiv herauskommt. „Selbst für mich ist es immer eine Überraschung, was von dem Gezeichneten übrig bleibt.“ Im Miniaturformat fügen sich klitzekleine Zeichnungen zu einem Gesamtbild. Mitunter auf Holzwürfeln. Dick mit glänzendem Klarlack überzogen, erinnern sie an Emaillearbeiten.

In einer neuen Reihe mit Blumensträußen arbeitet Deli auf Polyesterfolie, die sie dann in Einzelblättern zu einem großformatigen Werk zusammenfügt. Es sind Such- und Findebilder, die Irritationen hervorrufen. Im „Blumenstück mit Hasen“, einer grafischen Arbeit, erkennt man erst auf den zweiten Blick, was sich in dem überbordenden Blumenbouguet so alles verbirgt: Hasen, Stiefel im Laufrad, aber auch welkende Blätter und ein Schädel als Fingerzeig auf die Vanitas-Stillleben und das Thema Vergänglichkeit. Man hat den Eindruck, dass die vielen Gedanken, die Martina Deli durch den Kopf schwirren, direkt in ihrer Kunst verarbeitet werden. Das Thema „Helden“ hat sie sich vorgenommen. Mal gucken, wie die neuen Helden aus Heißen daherkommen.