Mülheim.
Mit der aktuellen Ausstellung „Jagd auf die Moderne. Verbotene Künste im Dritten Reich“ möchte das Team des Kunstmuseums einen anderen Zugang zur NS-Zeit ermöglichen. Zum begleitenden Vermittlungsprogramm gehört deshalb unter anderem ein auf die Bedürfnisse von Schulklassen abgestimmtes Angebot.
Wenn die Zeitzeugen reden, herrscht Ruhe. Dann sitzen die Neuntklässler still da und hören zu. Wenn Josef Königsberg erzählt, wie er die Internierung in Konzentrationslagern überlebte und von den Erlebnissen, die ihn körperlich wie seelisch auszehrten.
Wenn Trude Siepmann-Kiewitz berichtet, wie ihr Bruder, der Mülheimer Künstler Heinrich Siepmann, aus Angst vor Verfolgung seine Druckblöcke zerstörte. Wenn Gerd Niehoff als Augenzeuge beschreibt, wie das war, als die Synagoge in Mülheim brannte.
Sieben Zeitzeugen stellen sich Fragen der Jugendlichen
Sieben Zeitzeugen konnten Projektleiterin Natalie Borlinghaus und Kunstvermittlerin Barbara Thönnes gewinnen, die sich im Gespräch den Fragen der Jugendlichen stellen. Und die sind, hat Natalie Borlinghaus, festgestellt, meist sehr persönlich: „Es geht um lebenspraktische Dinge: Wie war das damals? Kannten Sie Juden?“
Diesen Zugang zur Geschichte nennt Dr. Norbert Kühn vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) „authentisch“ und „greifbar“. Ergänzt wird er noch durch einen ästhetischen Zugang, den die Kunstwerke, Musikstücke und Texte ermöglichen. Diese Kombination ist zentral in der Konzeption der Ausstellung, die eine Kooperation des LVR, des Krakauer International Cultural Centers und des Mülheimer Kunstmuseums ist und bereits in Polen zu sehen war: Die Biografien der Kulturschaffenden aus Deutschland und Polen sind wichtiger Bestandteil der Schau.
21 Klassen haben sich angemeldet
Aufgegriffen wird dies nun in der Vermittlungsarbeit für Schulklassen, die jeweils eine vorbereitende Führung für Lehrer, eine Führung für die Schüler, ein Zeitzeugengespräch sowie Kunstworkshops umfasst. In die Fächer Kunst, Deutsch, Geschichte, Musik und Pädagogik kann das Angebot integriert werden; die Führung und das Zeitzeugengespräch werden an das Vorwissen der Schüler und an das Unterrichtsfach angepasst. 21 Klassen von Real-, Gesamtschulen und Gymnasium haben sich angemeldet. Erstmals kommen so auch Jugendliche aus Essen und Velbert ins Mülheimer Museum.
Wichtig ist für Kunstvermittlerin Barbara Thönnes zudem der praktische Teil des Angebots. Expressionistisch Malen können die Jugendlichen da, mit Kohle zeichnen, den Linoleumschnitt versuchen oder an einer Schreibwerkstatt teilnehmen. Die entstandenen Arbeiten werden im Wechsel im erstmals eingerichteten „Besucherforum“ in der ersten Etage ausgestellt. Zum einen, sagt Natalie Borlinghaus, sei das „eine sinnliche Verarbeitung“ der Informationen, zum anderen führe das zu einer neuen Auseinandersetzung: Erwachsene Ausstellungsbesucher würden mit „einer jungen Perspektive“ konfrontiert.
"Generationengespräch" geplant
Das Generationenübergreifende ist auch Museumsleiterin Dr. Beate Reese wichtig. Sie hat in den Führungen durch die Ausstellung nicht nur eine große Wissbegierde, sondern vor allem bei der „Generation Mitte 20 einen großen Nachhol- und Informationsbedarf“ ausgemacht. Deshalb ist am 24. Mai um 16 Uhr ein „Generationengespräch“ im Kunstmuseum geplant: Gleich mehrere Zeitzeugen werden dann für Jung und Alt berichten.