Mülheim. .
Die Stillleben mit den überbordenden Früchtetellern der alten Meister, das Abendmahl von Leonardo da Vinci, Jahrhunderte später dann die Honigpumpe und Fettecke von Joseph Beuys und eine Kunstrichtung, die nur Essen serviert: Eat Art. Das Thema Essen wurde in der Kunst in allen Epochen geköchelt, mal auf kleiner, mal auf großer Flamme, aber immer im jeweiligen Trend kreativ angerichtet.
Wenngleich es im Mülheimer Kunstmuseum nur wenige Arbeiten zu dem Thema gibt, so sticht das federgleiche Objekt unter der Glashaube hervor: Die Tasse aus Glasfaser, Kunstharz, Metall und Stoff hat der Förderverein für das Kunstmuseum erworben. Sie stammt von der internationalen Künstlerin Dorothee Golz. Die gebürtige Mülheimerin lebt und arbeitet in Wien.
Lebensmittel und Masse
Allgemein ist das „Essen in der Kunst immer wieder von Bedeutung“, sagt Museumsleiterin Dr. Beate Reese. Insofern finden sich in der Kunstgeschichte zahlreiche Arbeiten und Ausstellungen zum Thema Lebensmittel. Bei einer Aldi-Ausstellung, die kürzlich im Wilhelm Hack-Museum in Ludwigshafen zu sehen war, ging es u. a. um „Lebensmittel und Masse“, erläutert Reese. Darunter 160 eingeschweißte Wurstwaren einer Sorte und andere Lebensmittel, die in zig Variationen nur anders verpackt und von anderen Firmen auf den Markt kommen.
Eine Schau mit durchaus auch kritischen Ansätzen. So wurde via Video-Installation dem Betrachter das industrielle Schlachten vor Augen geführt, „die komplette maschinelle Verwertung eines Tieres bis zum Abdecker“, sagt Reese: „Das war nur schwer verdaulich.“ Vor diesem Hintergrund drängen sich die Fragen nach dem Umgang der Kreatur, nach Ethik, Überfluss und Ökologie auf. Brauchen wir 160 Sorten Salami?
Tod in der Natur
Um die Wurst ging’s schon im 16. Jahrhundert bei den Stillleben der Alten Meister, vorrangig aus Holland. Wer denkt, das darauf nur langweilige Lebensmittel, oft Äpfel und Birnen zu sehen sind, muss genauer hingucken und die Fantasie spielen lassen. Denn häufig steckten diese Bilder voller Anspielungen – erotischer und religiöser Art. Und mehr noch: „Das arrangierte Stillleben bedeutete ja auch den Tod in der Natur.“ Jagdstillleben, Blumenstillleben, Essstillleben. Damit verbunden gewesen sei der Vanitas-Gedanke, also das Thema Vergänglichkeit, erläutert Reese: Die Tulpen, die sich öffnen, und gleich wieder verblühen oder die Fliege auf der Frucht.
Die Zeit war reif für den kreativen Aufbruch. Im „goldenen Zeitalter“ in Holland waren Stillleben „eine ganz neue Art der Kunst“, erläutert Reese. Mit Themen, die aus dem Leben des betuchten Stadtbürgertums kamen. „Natürlich war es auch die Begeisterung für exotische Früchte, für den Granatapfel oder die Zitrone.“
Lebensmittel als Skulptur
Die Tulpenzwiebel sei in dieser Zeit wie eine Aktie gehandelt worden, Tulpenstillleben waren eine Handelsware. „Die Lebens- und Objektwelt ist in der Kunst ausgebreitet worden.“ Opulente Szenarien mit Fleisch, Küchenszenen und Tafelrunden, „oft hinterlegt mit christlicher Thematik“, erläutert Reese. Nicht zuletzt sei die naturalistische Abbildung bis ins kleinste Detail eine künstlerische Herausforderung gewesen.
Neben der Malerei bietet sich die künstlerische Auseinandersetzung mit Lebensmitteln als Skulptur und formbare Masse an. Wie Joseph Beuys mit seiner Fettecke oder der Honigpumpe am Arbeitsplatz zeigte. Beuys hatte die „soziale Plastik“ als erweiterten Kunstbegriff eingebaut. Die Honigpumpe stand im übertragenen Sinn für den menschlichen und gesellschaftlichen Organismus, ein Symbol für das Herz-Kreislaufsystem, das Prozesshafte in Bewegung, das Beuys Arbeiten auszeichnet.
Ausstellungen, in den gekocht wird
In den 1960er Jahren tischte der Künstler Daniel Spoerri auf, begründete die so genannte „Eat Art“, die Ess-Kunst. Die Reste von Mahlzeiten auf den Tellern fixierte er mit Leim und Konservierungsstoffen als plastische Momentaufnahmen. Seine Absicht: Mit Kunst einen Teil der realen Alltagswelt darzustellen. „Er hat auch in Düsseldorf ein Restaurant betrieben mit unglaublich exotischen Essensangeboten.“
Relativ neu auf dem Markt ist die partizipative Kunst, erläutert Reese „wo in Ausstellungen gekocht wird.“ Essen als ein Grundbedürfnis des Menschen „inklusive der Prozesse, die sich im Körper vollziehen“. Bis hin zu „Merda d’artista“ – „Die Künstlerscheiße“ (in der Dose) ist eine berühmte Arbeit des italienischen Konzeptkünstlers Piero Manzoni. Unvergessen: Campbell’s Suppendose von Andy Warhol.
Gern geben sich Lebensmittel-Produzenten als Kunst-Mäzene – nach eigenem Gusto: Wie die Kunsthalle Bielefeld, gestiftet von Rudolf-August Oetker, das Ritter-Museum in Waldenbruch mit einer Kunstsammlung auf quadratischer Basis oder das Museum Ludwig in Köln. Auch Peter Ludwig verdiente sein Geld mit Schokolade. Eine schmackhafte Liaison, die Essen und Kunst miteinander eingehen.