Mülheim. .
Manchmal ist es eine Frage des Blickwinkels, ob ein Gebäude historisch ist – oder schlicht alt. Denkmalschutz kontra Wirtschaftlichkeit, diese Diskussion gibt es immer wieder. Ein aktuelles Beispiel ist die Villa an der Scheffelstraße.
Die war im Planungsausschuss Thema, und dort war der Tenor eindeutig: Der Mülheimer Wohnungsbau (MWB) müsse als Eigentümer mit gutem Beispiel vorangehen und sanieren. Geschäftsführer Frank Esser, der im Vorfeld nicht über den SPD-Antrag informiert war, kritisiert nun, man habe die Genossenschaft nicht zu Wort kommen lassen. Er wehrt sich gegen den Eindruck, den Denkmalschutz zu vernachlässigen. Vielmehr ist für ihn die zentrale Frage: „Kann man von einem Unternehmen, nur weil es wirtschaftlich gesund ist, verlangen, in ein Projekt zu investieren, das sich wirtschaftlich nie refinanzieren wird?“
Fensterscheiben fehlen
Früher wohnte in dieser Villa der Chef der Ruhrtaler Maschinenfabrik; seit 20 Jahren, schätzt MWB-Geschäftsführer Jürgen Steinmetz, steht sie jetzt leer und „gammelt vor sich hin“. Er nennt sie „olle Hütte“, aber. . . Schwamm drüber. Denn der steckt „nahezu flächendeckend“ in Wänden, Holzbalken und -böden. Schwamm- und Pilzbefall zeigen sich überall, auf den Wänden als schwarze, auf dem Holz als weiße Flecke. Beim Ortstermin kriecht der muffige Geruch tief in die Nase – und das obwohl im Haus, das etwa 1907 errichtet wurde, für genug Frischluft gesorgt ist: Viele Fensterscheiben fehlen. Vandalismusschäden finden sich überall; Fliesen wurden zerstört, der gedrechselte Antrittsposten der Treppe ist verschwunden, im Dachgeschoss wurde gar gezündelt.
Architekt Jürgen Steinmetz zählt im Einzelnen auf, was gemacht werden müsste, um das Denkmal zu sanieren. Aber letztlich ist es kurz gesagt: Eigentlich können nur die Außenmauern bleiben, selbst der Dachstuhl samt Mansarddach müsste erneuert werden. Und am Ende hätten die Fenster, ganz im Sinne der denkmalschützerischen Originaltreue, einfach verglaste Fenster. „Ich bleib’ dabei“, sagt Steinmetz, „das ist ein wirtschaftlicher Totalschaden.“
Ein "großartiges" Gebäude
Also lautet der im Ausschuss kritisierte Plan des MWB: abreißen. Die Substanz sei zu schlecht. Die Sanierungskosten für das Einfamilienhaus liegen laut Steinmetz bei mindestens 500 000 bis 600 000 €, das lasse sich wirtschaftlich nicht darstellen. Außerdem, so Esser: „Das Gebäude ist nicht einzigartig. Wir halten es nicht für erhaltenswert.“
Der Vorstandsvorsitzende will aber den Eindruck, der MWB kümmere sich nicht um Denkmalschutz, nicht aufkommen lassen und verweist deshalb auf eine Reihe eigener Maßnahmen, um denkmalgeschützte oder denkmalwürdige Gebäude zu erhalten: das Haus der Wirtschaft, die Theodor-Suhnel-Siedlung zwischen Kämpchen-, Ober- und Paul-Essers-Straße, die Häuser an Fichte- und Moritzstraße. In diesem und im kommenden Jahr will der MWB zudem in Broich sanieren: Rund 6 Mio Euro sollen in die 109 Häuser der Saliersiedlung investiert werden. „In enger Absprache mit der Denkmalbehörde“, betont Jürgen Steinmetz, habe man diese Pläne entwickelt, habe überlegt, welche Briefkastenanlage man in eine historische Siedlung von 1922 setzt, in der es vorher Briefschlitze in den Türen gab. Beim Denkmalschutz kommt es eben auf Kleinigkeiten an.
Einladung in de Villa an der Scheffelstraße
Ebenfalls in diesem Jahr wird der MWB das Haus Senfkorn, ein ehemaliges Pfarrhaus am Kloster Saarn, übernehmen und sanieren. Das zeige, dass man aktiv Denkmäler kaufe, um sie, so Esser, „aktiv für die Zukunft zu wappnen“. Wenn denn die Substanz stimmt. Der MWB will nun die Mitglieder des Planungsausschusses in die Villa an der Scheffelstraße einladen, damit die Politiker sich vor Ort selbst ein Bild machen können.
Bis 2006 gehörte die Villa der Gagfah, die das Gebäude verkommen ließ. Der MWB kaufte das Gelände der ehemaligen Ruhrtaler Maschinenfabrik und errichtete dort bereits das Ev. Wohnstift Dichterviertel. Auf den restlichen 20 000 m² plant der MWB eine autofreie Siedlung mit 45 Einfamilienhäusern und unterirdischem Parkhaus. Das 1000 m² große Grundstück der Villa könnte der MWB hinzunehmen und dort, so Steinmetz, „eins, zwei Häuser mehr“ errichten. Das Gebäude selbst bietet MWB zum Grundstückspreis zum Kauf an. Bisher sind jedoch alle Interessenten abgesprochen, ein Kauf wurde gar rückabgewickelt.