Mülheim. .
Daniel Albertz ist einer der wenigen männlichen Erzieher in einer Kita. Die Männerquote liegt unter einem Prozent.
Daniel Albertz hat früher Mode verkauft und mit der Kundschaft bei angesagter Soundberieselung über die Trends oder das Wetter gequatscht. Doch vor 17 Jahren schwenkte er um, wurde Exot: Erzieher in einer Kita.
An den städtischen Kindertagesstätten in Mülheim sieht es so aus: Etwa 400 Frauen kümmern sich derzeit um die pädagogische Betreuung der Kleinen und etwas Größeren, aber nur drei Männer. Einer in leitender Funktion. Wer die Quote ausrechnet, kommt auf ungefähr 0,75 Prozent.
Daniel Albertz jedoch, der zunächst bei einer großen Warenhauskette Einzelhandelskaufmann lernte und anschließend in einem Jeansshop arbeitete, schreckte dieses Ungleichgewicht nicht ab. Stärker war sein Wunsch, „einen sinnvollen Job zu machen“, und das war in seinem Fall nicht das Klamottenverkaufen. Er entschloss sich zu einem Neubeginn.
An der Fachschule war er der einzige Mann in seiner Klasse, umgeben von etwa 30 jungen Frauen. Seit 13 Jahren arbeitet Daniel Albertz nun in der städtischen Kita „Wirbelwind“. Sein Arbeitstag beginnt um acht Uhr früh mit Fallbesprechungen und Planung, er hilft auch in den Gruppen der Zwei- bis Sechsjährigen. Am späteren Vormittag, wenn die ersten Hortkinder aus der Schule kommen, schwenkt Albertz um, betreut hauptsächlich die Sechs- bis Zehnjährigen. Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung, AGs.
Nach seiner Erfahrung sind die pädagogischen Anforderungen stetig gestiegen. „Unser Job“, sagt der 41-Jährige, „ist nicht mehr nur familienergänzend“, sondern die Kitas übernähmen immer mehr erzieherische Aufgaben. Zugleich schöpft er hieraus die größte Freude am Beruf, „jeden Tag zu erleben, dass Kinder ganz einfache Dinge brauchen. Zuwendung, Aufmerksamkeit, ein offenes Ohr und jede Menge Humor.“ Dinge, die viele Väter ihren eigenen Söhnen und Töchtern durchaus zu geben vermögen. Dennoch hat Daniel Albertz, seit kurzem verheiratet, selbst kinderlos, mit seiner Berufswahl Seltenheitswert. „Man ist ein Exot, wie eine Frau als Kfz-Mechanikerin, man muss es immer begründen und erklären.“
Dabei klingt seine persönliche Begründung so einfach wie überzeugend: „Ich habe einen guten Draht zu Kindern und kann mich gut auf sie einlassen.“ Zugleich bezeichnet er sich als „offenen Typ“, der sich im Frauenteam nicht als Außenseiter fühle. Was offenbar die wenigsten Männer nachvollziehen können.
Nur ein Beispiel: Albertz spielte 30 Jahre lang Fußball im Verein, und viele Sportkollegen, musste er feststellen, „konnten damit überhaupt nichts anfangen“, hätten minimales Interesse gezeigt an dem, was den Beruf des Erziehers ausmacht. „Das ist eine Mentalitätsfrage“, meint er, und diese spiele für den verschwindend geringen Männeranteil in den Kindertagesstätten eine noch größere Rolle als das relativ geringe Einkommen für zunehmend anstrengende Arbeit.
Doch natürlich gehe es auch um Geld: „Die ersten beiden Ausbildungsjahre werden überhaupt nicht bezahlt, und das Gehalt, was danach auf einen wartet, ist auch nicht so toll. Die meisten Männer wollen mehr verdienen.“ Die in letzter Zeit häufig erhobene Forderung, die Erzieherausbildung an Fachhochschulen zu verlegen, um den Beruf aufzuwerten, hält Albertz für „vordergründig. Wir brauchen nicht noch mehr Theorie, sondern Praxisbezug mit Nähe zum Kind.“
Dazu gehört allerdings auch, besonders für Jungen, eine männliche Bezugsperson. „Es wäre schön, wenn in allen Kitas Männer arbeiten würden“, meint Albertz, „sie haben oft andere Ansichten, ein anderes Naturell, reagieren anders als Frauen“ und machen tendenziell eher Freizeitangebote, die den Nerv von Jungen im Grundschulalter treffen. In seinem Fall ist das, ganz klassisch, eine Fußball-AG.
Ab November hat Daniel Albertz übrigens einen Azubi an seiner Seite: Dann bekommen die beiden Hortgruppen im „Wirbelwind“ einen angehenden Erzieher als Praktikanten. Zum ersten Mal.