Mülheim.

„Voneinander lernen“ stand in großen Lettern über der Konferenz, die am Mittwoch die Mülheimer Stadthalle füllte. Fachleute aus neun Ruhrgebietsstädten und dem Oberbergischen Kreis tagten hier zum Thema: Frühe Hilfen für Familien. Es soll der Beginn eines für alle nützlichen Netzwerkes sein.

Mehr als 100 Teilnehmer tauschten sich aus, darunter Ärztinnen und Ärzte, Familienhebammen, Sozialarbeiter und Pädagoginnen. Sie hörten Vorträge etwa über die „Rolle des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes“, vertieften in Workshops Themen wie „Strategien und Finanzierungsmöglichkeiten“ oder „Elternbildung als Präventionsbaustein“. Eingeladen hatte, gemeinsam mit der Stadt Mülheim, das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH), das im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend arbeitet.

Finanzielle und personelle Mittel sind begrenzt

Denn Angebote früher Hilfen gibt es, in irgendeiner Form, inzwischen in jeder der teilnehmenden Kommunen: ob Bochum oder Duisburg, Mülheim, Essen oder Witten. Was alle verbindet: Man möchte etwas tun, doch finanzielle wie personelle Mittel sind begrenzt.

Da kann es nützen, von vorhandenen Ideen und Erfahrungen zu profitieren, „die Fehler anderer zu vermeiden“, sagt Mechthild Paul, Leiterin des NZFH. „Wir möchten die Kommunen dabei unterstützen, ihre Ansätze miteinander zu besprechen, damit nicht jedes Mal das Rad neu erfunden werden muss.“ Mit der ersten Netzwerk-Konferenz dieser Art, allerdings in Baden-Württemberg, habe sie gute Erfahrungen gemacht. Die Mülheimer Tagung soll nun für das Ruhrgebiet und seine Nachbarn Impulse setzen.

Eigener Laden des Projekts "Familienhebammen"

Die Gastgeber ließen es sich nicht nehmen, mit guten Beispielen vorzutreten. So stellte Jennifer Jaque-Rodney das seit rund einem Jahr laufende Projekt „Familienhebammen“ vor, das in der kommenden Woche endlich auch seinen eigenen Laden an der Wallstraße eröffnen wird.

Kontakt zu jungen Eltern bekommen die drei Helferinnen häufig über die Frauenklinik im Evangelischen Krankenhaus: „98 Prozent der Kinder kommen in Kliniken zur Welt“, erklärt Chefärztin Dr. Andrea Schmidt. „Daraus ergibt sich für uns eine hohe Verantwortung.“ Vielfach schon in der Schwangerschaft weise man auf die Familienhebammen hin. Bei Bedarf werden Eltern, oft Alleinerziehende, bis zum ersten Geburtstag ihres Kindes begleitet, nicht nur in Gesundheits- und Pflegefragen, auch bei Alltagsproblemen oder Behördengängen. Bislang, berichtet Jennifer Jaque-Rodney, hätten sie rund 60 Familien unterstützt.

„Wir befinden uns in Mülheim gerade im Stadium der Vernetzung“, sagt Nina Frense, Referatsleiterin im Sozialdezernat, und weist auf weitere Angebote hin: den im Oktober 2008 gestarteten Familienbesuchsservice für alle Neugeborenen oder auch das Förderprogramm „Early Excellence“, welches bis 2014 in allen städtischen Kindertagesstätten laufen soll.

Potenziale der Kinder in den Vordergrund stellen

Nina Frense betont, dass es bei all diesen Maßnahmen längst nicht nur darum geht, eine regelrechte „Kindeswohlgefährdung“, sprich: Vernachlässigung oder gar Misshandlung, zu verhindern. Erreichen möchte man vielmehr Chancengleichheit, zumindest einen Zustand, der dem nahekommt: „Wir möchten die Potenziale jedes Kindes in den Vordergrund stellen und allen die Möglichkeit geben, sich gesund zu entwickeln.“

Die Netzwerk-Konferenz zu frühen Hilfen könnte ein weiterer kleiner Schritt in diese Richtung sei.

Stichwort: NZFH

Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) mit Sitz in Köln wurde im März 2007 ins Leben gerufen. Es verfolgt das Ziel, Kinder durch Vernetzung von Angeboten früher und besser vor Gefährdungen zu schützen. Gemeinsam betrieben wird das Zentrum von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und dem Deutschen Jugendinstitut. Im Laufe des Jahres 2012 möchte das NZFH praxiserprobte Projekte und Materialien aus verschiedenen Kommunen in Form einer „virtuellen Werkzeugkiste“ ins Internet stellen. Weitere Informationen im Internet auf www.fruehehilfen.de.