Mülheim. .
Nächte im Luftschutzbunker, der erste Fernseher, Spiele auf der Straße, die Flucht in den Westen. Was wäre die Zeit, wenn es keine Menschen gäbe, die sich an sie erinnern? Die beiden Ehrenamtlichen Brigitte Reuß und Elke Kurschat wollen diese Erinnerungen sammeln und das Wissen über vergangene Zeiten festhalten.
Daher haben die beiden Frauen nun die erste Mülheimer Zeitzeugenbörse ins Leben gerufen.
„Erlebte Geschichte ist Teil der Erinnerungskultur“, sagt Brigitte Reuß. Diese gelte es für jüngere Generationen zu bewahren. Über das EFI-Projekt vom Centrum für Bürgerschaftliches Engagement (CBE) hat die ehemalige Deutsch- und Kunst-Lehrerin zum Ehrenamt gefunden – und dabei Elke Kurschat kennen gelernt. Auch sie hat in ihrem früheren Berufsleben unterrichtet, in der Erwachsenenbildung. Der EFI-Kursus gab ihnen Hilfestellung: Dort horchten sie in sich selbst und fanden Antworten auf die Frage, welche Ziele sie nach ihrem Beruf verfolgen möchten. Ebenso lernten sie, wie man ehrenamtlich motivierte Projekte umsetzt, von der Idee über die Beantragung von Fördermitteln bis hin zur praktischen Umsetzung. Nun packen die beiden Frauen ein eigenes Projekt an, ihre Herzensangelegenheit: die Zeitzeugenbörse.
„Die Börse basiert auf drei Säulen“, erklärt Brigitte Reuß. „Biografiearbeit, Erinnerungs- und Öffentlichkeitsarbeit.“ Ablaufen soll das Ganze so: „Interessierte können sich bei uns melden und wir vereinbaren ein Treffen“, erklärt Brigitte Reuß. Das Erlebte wird zunächst im kleinen Kreis mit dem jeweiligen Ansprechpartnern berichtet und gesammelt.
In einem zweiten Schritt, der Erinnerungsarbeit, treffen sich die Teilnehmer einmal im Monat zum Gesprächskreis. Dort erzählt jeder seine Lebensgeschichte, die anderen Teilnehmer der Runde hören zu – ohne zu werten. „Die Gruppe gibt Unterstützung, Vertiefung und Betrachtung der jeweils erlebten Geschichte“, erklären die Initiatorinnen. „Wir arbeiten dabei als Moderatorinnen.“ Spricht jemand zu lange, wollen sie unterbrechen, ist etwas unklar, wird sanft nachgehakt. „Über was gesprochen wird, wollen wir offen lassen. Nachkriegszeit, 68er-Genereation, Mauerfall oder Erzählungen über Rezepte von damals“, zählt Elke Kurschat auf.
Am Ende folgt der Part der Öffentlichkeitsarbeit: Geschichten sollen erzählt - wenn gewünscht - auf Tonband aufgezeichnet werden, später kann daraus vielleicht ein Sammelband entstehen oder ein Vortrag, mit dem die Zeitzeugen in den Schulunterricht gehen. Schließlich soll das Wissen nicht verloren gehen, sondern fixiert und an nachfolgende Generationen weiter gegeben werden. „Ich habe zur Vorbereitung Städte wie Köln und Duisburg besucht, in denen die Zeitzeugenbörse bereits läuft“, berichtet Brigitte Reuß. „Dort nehmen die Schüler das Wissen gerne und gut an.“ Gelebte Geschichte aus erster Hand zu erfahren sei ohnehin spannender, als aus Unterrichtsbüchern.
Bei der Börse sei indes jeder herzlich willkommen, betonen die Frauen: „Egal, welches Alter, Geschlecht, welche Religion, Herkunft oder welches Bildungsniveau“, sagt Elke Kurschat. „Jeder hat eigene Erinnerungen, über die es sich zu sprechen lohnt.“
Hintergrund: Zum ersten Mal wollen Elke Kurschat und Brigitte Reuß Anfang November zum Gruppentreffen in den Sonnenhof am Tourainer Ring laden. Die Gruppe soll aus maximal 15 Teilnehmern bestehen. Interessenten können sich bei den beiden Damen persönlich melden. Brigitte Reuß: 4128 956 oder Elke Kur-schat: 32 699.