Mülheim. .

„Ich bin stolz, dass ich verkünden kann, dass überall die Arbeit ruht!“ Uli Dörr hat diesen Satz gesagt. Am 14. November 2011, als (wieder einmal) 1100 Beschäftigte der Mülheimer Stahl- und Eisenindustrie dem Aufruf der IG Metall zum Warnstreik gefolgt waren. Es war Dörrs letzte Tarifauseinandersetzung – am Ende stand als Ergebnis ein sattes Lohnplus und die unbefristete Übernahme von Auszubildenden. So kann man in den Ruhestand gehen.

Der 30. März war der letzte Arbeitstag von Uli Dörr. Heute wird er im Bürgergarten in die frei gewählte passive Phase der Altersteilzeit verabschiedet. Dörr war 20 Jahre lang Erster Bevollmächtigter der IG Metall, in der langen Geschichte der Industriegewerkschaft überhaupt erst die vierte Person auf diesem Posten.

"Gewerkschafter ist man ein Leben lang"

44 Jahre und 177 Tage Mitglied der IG Metall. „Gewerkschafter“, sagt Dörr, „ist man – und das ein Leben lang!“ Maschinenschlosser bei den Thyssen-Röhrenwerken hat er gelernt. Schnell war er Vertrauensmann, Jugendvertreter, Ersatzmitglied im Betriebsrat. Der gebürtige Mülheimer war dabei, als die Stahlarbeiter 1978 sechs Wochen für die Einführung der 35-Stunden-Woche streikten.

Und ausgesperrt wurden. Für gesellschaftliche Veränderungen zu kämpfen, keine Frage: Es lohnt sich, sagt Dörr. Aber es braucht seine Zeit. „Mit Stolz“ blicke er auf 1995 zurück. Die 35-Stunden-Woche war endlich Realität in den westdeutschen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie.

Vom Sekretär zum Chef

1995. Da war Dörr schon 14 Jahre hauptberuflich für die IG Metall tätig. Vom Sekretär für die Bereiche Jugend, Handwerk und Berufsbildungsfragen aufgestiegen zum Chef. Die Zerschlagung des Mannesmann-Konzerns: Stahlkrise und Strukturwandel haben einen Aderlass bedeutet. Viele Arbeitsplätze gingen verloren, es ist laut Dörr „um den Ausverkauf gegangen. Die Gefahr, dass mittelfristig hier nichts mehr sein würde, war riesengroß. Die Existenz tausender Menschen hing da dran.“ Heute sind knapp 3300 Arbeitsplätze in den alten Mannesmann-Werken erhalten.

Der Strukturwandel hat zwischen 1980 und 1993, Dörr hat einen Zeitungsbericht schnell zur Hand, in Mülheim 6300 Metall-Arbeitsplätze gekostet. Von einst 22.000 Jobs sind heute knapp 10.000 übrig. Dörr verhandelte über Zukunftsperspektiven für Betriebe, über Sozialpläne. „Wir haben nicht jubelschreiend mitgemacht“, sagt der 59-Jährige.

Neue Arbeitsplätze generieren als Ziel

Aber doch ist er zufrieden. Etwa damit, dass im Stahlbereich dereinst Vorruhestandsregelungen vereinbart werden konnten, mit denen ältere Beschäftigte ab 55 Platz machen konnten für den Nachwuchs. Von der „großen Solidarität“ der Generationen ist Dörr noch heute angetan. Gelebte Solidarität – das seien stets „die schönsten Momente“ gewesen. „Wichtig in einer Gesellschaft, in der immer mehr Egoismen zutage treten.“

Natürlich eine große Herausforderung in Dörrs Zeit an der Spitze der Gewerkschaft: neue Arbeitsplätze generieren. Dörr hat im Beirat mitgewirkt an der Gründung der Wirtschaftsförderung „Mülheim & Business“. Dass die Gesellschaft eben auch von der heimischen Wirtschaft getragen wird, habe sich als wichtiges Konstruktionselement erwiesen. Es sei gelungen, „die Akteure der Wirtschaft in die Pflicht zu nehmen“.

Irgendwann ist auch mal Schluss

Durch viele unruhige Fahrwasser galt es zu schippern, „die schwierigste Auseinandersetzung“ nennt Dörr die bei Siemens um den Personalabbau zur Jahrtausendwende. Der komplette Standort sei gefährdet gewesen, erinnert er sich. „Auch durch den Betriebsrat dort ist es sehr gut gelungen, mit der Qualität der Produkte und Mitarbeiter sowie der Produktivität Investitionen hier hin zu bekommen.“ Bekanntlich beschäftigt Siemens aktuell mehr als 5000 Mitarbeiter – und ist damit so stark wie nie in Mülheim.

Unter Dörrs Verantwortung hat die IG Metall einige Sonderlösungen für Mülheimer Betriebe im Stillen verhandelt, stets eng verdrahtet mit Betriebsräten. Aufregung ist Dörrs Naturell nicht. So hat die eine oder andere Firma, die kurz vor dem Aus stand, überlebt. Etwa Neumann Elektronik. Andere verschwanden doch – oft dann, sagt Dörr mit Blick etwa auf die Ruhrtaler Maschinenfabrik oder Filco, wenn Arbeitgeber nicht die Partnerschaft mit den Arbeitnehmern gesucht hätten.

Es gäbe noch viel zu erzählen. Doch irgendwann ist auch mal Schluss. Der passionierte Raucher Dörr zündet sich eine letzte Zigarette an. Und denkt an die Mandelblüte auf Mallorca. Endlich will er sie nun mal mit seiner Frau erleben – im Ruhestand stehen keine Tarifauseinandersetzungen an.

Streik der Stahl und Eisenindustrie

Warnstreik der Stahlarbeiter vor dem Mannesmann-Bildungszentrum Tor 4 in Mülheim an der RuhrBild: Stephan Glagla / WAZ FotoPool
Warnstreik der Stahlarbeiter vor dem Mannesmann-Bildungszentrum Tor 4 in Mülheim an der RuhrBild: Stephan Glagla / WAZ FotoPool © Stephan Glagla / WAZ FotoPool
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