Mülheim. .
Am Montag präsentierte sich die IG Metall beim Warnstreik der Stahlbetriebe jugendlich frisch. Der Pop hatte sich ganz vorne vor der Rednerbühne platziert, skandierte lautstark, Ortsbevollmächtigter Ulrich Dörr sah sich schmeichelnden „Uli, Uli“-Sprechchören gegenüber, wenn er mit gehobener Stimme dem Nachwuchs vor ihm etwa zurief: „Es wird keinen Abschluss geben, in dem nicht die unbefristete Übernahme der Auszubildenden Schwarz auf Weiß drinsteht.“
Die IG Metall, mit starkem Organisationsgrad in den Betrieben, pirscht länger schon voran, geht es um gesellschaftspolitische Großbaustellen wie unsichere Erwerbsbiografien mit Leiharbeit, befristeten wie prekären Arbeitsverhältnissen. Die Jugend, das zeigte nicht erst der Montag, nimmt das Engagement wohltuend auf. Sie sei überhaupt und gar nicht so unpolitisch wie oft unterstellt, sagt Dörr. Und registriert erfreut, dass seine Verwaltungsstelle in diesem Jahr mehr neue Mitglieder zählt als Sterbefälle. 370 Neuaufnahmen seit Januar, fast 80 % davon unter 30 Jahre alt.
Popkultur beim Warnstreik
Montag fast schon Popkultur beim Warnstreik, Kontrastprogramm für Dörr am Dienstag: Jubilarehrung. Aber nur für diejenigen mit 60 Jahren Mitgliedschaft. Alles andere hätte den Rahmen gesprengt. Schließlich sind in diesem Jahr allein 104 Mülheimer für 60 Jahre zu ehren. Auch das ist die Mülheimer IG Metall: eine Organisation, die trotz aktuell weiterhin fast 10.000 Mitgliedern eine Geschichte hat, die weit größer ist, weil sie von der Zeit erzählt, als in der Mülheimer Stahlindustrie noch 22.000 Menschen beschäftigt waren – ist ja nicht mal ein halbes Jahrhundert her.
Hier reckt die Jugend beim Warnstreik zum Zeichen ihrer Willensstärke Boxhandschuhe in die Luft, am nächsten Tag Funktionär Dörr die Tradition hoch. Natürlich weiß er darum, dass der Altersdurchschnitt der Mitglieder ebenso hoch ist wie die Hochzeit der Großindustrie lange her, doch legt er großen Wert darauf, die Leistungen der älteren Generation herauszustellen.
Am Dienstag begegnete Dörr so Menschen, denen zwar nicht abverlangt wurde, bis 67 zu arbeiten, die aber ganz andere Auseinandersetzungen zu führen hatten, um Jahresurlaub, Lohnfortzahlung und nach dem Krieg natürlich: Mitbestimmung. 1951, als die Jubilare der Industriegewerkschaft beitraten, habe die 48-Stunden-Woche gegolten, bei einem Tariflohn von 1 D-Mark und 25 Pfennigen und einem höchstmöglichen Monatstariflohn von 280 D-Mark, ausgehändigt im Wochenrhythmus in der Lohntüte. Der Betriebskassierer nicht fern postiert, um gleich den Monatsbeitrag für die Gewerkschaft abzuzwacken. . .
"Wir merken, dass unsere Themen bei der Jugend gut ankommen"
Andere Zeiten, klar. Ohne die Errungenschaften, die die Jubilare einst erstritten haben, so Dörr, wäre Gewerkschaft heute nicht das, was sie ist. „Heute geht es um den Erhalt und weiteren Ausbau der tariflichen Errungenschaften“, sagt er. Und da ist die örtliche IG Metall froh, im Bundestrend zu schwimmen und wieder mehr Mitglieder zu gewinnen, als Namen aus der Kartei zu streichen sind.
„Wir merken, dass unsere Themen bei der Jugend gut ankommen“, sagt Dörr und ist wieder bei der Forderung nach unbefristeter Übernahme von Azubis. Man könne nicht der Jugend Perspektiven vorenthalten, ihnen gleichzeitig aber alles zur Stützung der deutschen Sozialversicherungssysteme abverlangen. . .