Am 4. Advent 1958 wurde die im Krieg völlig zerstörte Petrikirche wieder eingeweiht. Mülheimer steuerten mit 450 000 DM die Hälfte der Bausumme bei.

Petrikirche nach dem Krieg.
Petrikirche nach dem Krieg. © Fremdbild

„Es war eine feierliche, stimmungsvolle Stunde. Am regengrauen Morgen des 4. Advent wurde die Mülheimer Petrikirche wieder eingeweiht.” Am Montag, 22. Dezember 1958, berichten die Mülheimer Stadtnachrichten ganzseitig über dieses Ereignis. Es war ein besonderer Feiertag mit einer vollen Kirche und einer vollen Stadt. „Spitzenverkehr am ,Goldenen Sonntag' auch mit Kraftwagen” registrieren die Ruhr-Nachrichten. Es ist Wirtschaftswunderzeit. Und Wiederaufbauzeit. Auch wenn ringsum viel Wüstenei blieb: Die schlimmsten Folgen des Zweiten Weltkriegs sind beseitigt. Auferstanden aus Ruinen ist das Gotteshaus – durch die Spendenbereitschaft der Mülheimer. Sie steuerten rund 450 000 der gut 900 000 DM für den Wiederaufbau bei.

Festgottesdienst

Am 4. Advent 1958 wurde die Wiedereinweihung mit Präses Beckmann, Superintendent Barnstein und den Pfarrern der Altstadtgemeinde gefeiert. Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst von Siegfried Reda und dem Mülheimer Singkreis mit Hans Bril. Genau 50 Jahre später wird am Sonntag, 21. Dezember, an das Ereignis erinnert. Den Gottesdienst um 17 Uhr hält Pfarrer Peter Vahsen, es singt das Vokalensemble unter Petrikantor Gijs Burger.

Als Prof. Dr. Joachim Beckmann, der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, das Eingangswort verliest, ist das Kirchenschiff überfüllt. „Zwischen dem Triumphbogen und dem Chor sowie im Chorraum hatten die geladenen Gäste Platz genommen. Der dämmrige Morgen ließ ein mildes Licht durch die hohen Fenster einfallen und die frischen Farben, das Weiß der Wände, das Rot des Bodens, der Decke und der gemauerten Gewölbe, das Blau des Altarteppichs in warmen Tönen erscheinen.” Kirchenmusikdirektor Siegfried Reda, hält der Chronist fest, „hatte das Predigtwort aus dem Johannes-Evangelium vertont”.

Architekt aus Düsseldorf

Eine Besonderheit am Rande: Nach der Wiedereinweihung regte der Mülheimer Unternehmer Hugo Stinnes jr. an, man solle ein Telegramm an Albert Schweitzer nach Lambarene schicken. Der Urwaldarzt hatte die alte Orgel der Petrikirche häufiger gespielt. Nun erging an ihn „mit heimischem Glückauf” in französischer Sprache die Einladung, beim nächsten Europaaufenthalt auch auf dem neuen Instrument zu musizieren. Zur Einweihung selbst blieb die Orgel stumm. Sie war noch nicht fertig.

Achteinhalb Jahre dauerte die Bautätigkeit. Der Wiederaufbau war mit schweren Hypotheken belastet. „In der damals nur locker besiedelten Innenstadt – eine Folge des Bombenkrieges – bestand gar kein Bedürfnis, eine zweite evangelische Kirche in Gebrauch zu nehmen. Die Paulikirche war bekanntlich schon vor der Währungsreform, wenigstens provisorisch, wiederaufgebaut worden”, heißt es auf einer Sonderseite der Ruhr-Nachrichten vom 20. Dezember. Doch in Presbyterium, Gemeinde, Vereinen und der Stadt fanden sich schließlich genug Befürworter für den Wiederaufbau. Zur Substanzsicherung steuerte die Stadt 5000 DM bei. Auf die Suche nach einem Architekten hatte man sich bereits im Herbst 1949 gemacht und den Düsseldorfer Denis Boniver gefunden. Im Januar 1950 riefen Mülheimer Persönlichkeiten zur Unterstützung des ambitionierten Projekts auf.

Von der Kirche standen zu der Zeit nur noch die Randmauern. In der Bombennacht des 23. Juni 1943 wurde das Gebäude zerstört. Turmhelm, das Dach, die Fenster – alles ist vernichtet. Auf den Zeichnungen Daniel Traubs oder Helmut Lankhorsts und auf alten Fotos stehen allerdings noch die gotischen Seitengiebel. Sie wurden erst für den Wiederaufbau niedergelegt. Der Zierrat aus dem 19. Jahrhundert wurde ebenfalls nicht wieder hergestellt. Und auch den „schiefen Turm”, entstanden durch bauliche Mängel des Hauben-Gebälks und seit dem 18. Jahrhundert Markenzeichen der Kirche, sollte es nicht mehr geben. Doch vorerst blieb der wuchtige Turm komplett kahl. Der Gemeinde fehlte das Geld. Erst 1953 konnte man weiterbauen. Hitzige Diskussionen gab es auch um den alten Wetterhahn aus dem Jahr 1581 und um die Frage, ob er wieder die Turmspitze zieren sollte. Die Alternative wäre ein Kreuz auf der Spitze in rund 70 Metern Höhe gewesen. Der Hahn blieb obenauf.

Mauerreste von 1250

Um 1200 wurde auf dem Altstadthügel eine zweischiffige, romanische Saalkirche gebaut, deren Grundmauern 1870 bei Umbauarbeiten gefunden wurden. Die ältesten heute noch erhaltenen Teile finden sich in den unteren Stockwerken des Turms – Mauerreste aus dem Jahr 1250. Neugotisch angefügt wurden 1871 die Seitenschiffe, der Innenraum wurde reicher ausgestattet und nochmals bis 1914 erneuert.

Zwölf Glockenschläge

Das Baudenkmal erhielt beim Wiederaufbau wieder seinen schlicht-reformierten Charakter. Das Jahr 1958 läuteten erstmals wieder die Glocken der Petrikirche mit zwölf Schlägen ein. Zur Einweihung im Dezember gab es ebenfalls alte „Bekannte" zurück. Oberbürgermeister Heinrich Thöne übergab der Gemeinde das alte Abendmahlgerät, das im 17. Jahrhundert vom Broicher Grafen Wyrich Wilhelm gestiftet wurde. Kanne und silberne Becher haben mittlerweile einen Ehrenplatz hinter Glas. Die Vitrine gehört zur künstlerischen Ausgestaltung, die von der Wiedereinweihung an vorangetrieben wurde. Rika Unger schuf die Bronze-Reliefs der Portaltüren am Turm 1960 mit Szenen aus dem Leben Petrus. Zeichen über Jahrzehnte setzte der Bildhauer Ernst Rasche, der sein Atelier nur wenige 100 Meter entfernt in der Altstadt hat. Die Buntglasfenster entstanden nach seinen Entwürfen, ebenso das schlichte, an schwere Nägel erinnernde Altarkreuz, die Leuchter und das Taufbecken.