Mülheim.

„Fragile“ steht auf den vier Kisten der Düsseldorfer Kunst-Spedition. Letzte Schrauben werden entfernt, Deckel abgehoben und dicke Polster herausgenommen. Das ist so spannend, dass selbst der neue Kulturdezernent Ulrich Ernst den Damen neugierig über die Schulter linst, denn die Ausstellung wird erst ab 18. März zu sehen sein.

Dann legen Museumsleiterin Dr. Beate Reese und Kuratorin Judith Schönwiesner letzte Handgriffe an, befreien die Bilder aus dem Papier. Voila – da kommt die Jazztänzerin angetanzt. Aufreizend, selbstbewusst mit einem maskulinen Touch. Solch ein Frauenbild entsprach dem der Nazis so gar nicht. Sie kannten nur ein Gesetz, nämlich das der Gleichschaltung. Für Lotte Prechners Jazztänzerin gab es gleich mehrere Gründe, um sie als „entartet“ zu verfemen: Jazz-Musik, ein Frauenbild jenseits des „arischen“ blauäugigen Blondinenmodells und die Künstlerin, die als Jüdin verfolgt wurde.

Es soll Informationen und Hintergründe geben

Rund 20 von 180 Werken für die „Jagd auf die Moderne. Verbotene Künste im Dritten Reich“ sind jetzt im Kunstmuseum eingetroffen. Zu sehen ist die hochkarätigen Schau ab 18. März. Da die Künste mit all ihren Genres zwischen 1933 und 1945 gleichgeschaltet wurden, „ist es eine kulturhistorische Ausstellung“, so Judith Schönwiesner, erweitert durch Literatur und Musik. So soll es viele Informationen und Hintergründe geben. Mit einer polnischen Kollegin hat die LVR-Kuratorin die Schau „gemeinschaftlich erarbeitet“. Sie ist ein Kooperationsprojekt des LVR mit dem International Cultural Center Krakau und dem Mülheimer Kunstmuseum im Rahmen des Polen-NRW-Jahres 2011/12.

Mit großem Erfolg war sie bereits in Krakau zu sehen, so Schönwiesner. „In Polen wurde sie zu den wichtigsten Ausstellungen 2011 gezählt.“ Besucher schrieben ins Gästebuch: Endlich verstehen wir die Zusammenhänge, bekommen ein Gefühl für diese Zeit.

Gute Leute kehrten Deutschland für immer den Rücken

Was es für einen Menschen bedeutet, wenn er in seinem eigenen Land verfolgt, geächtet, seine Kunst als entartet diffamiert wird, kann wohl keiner richtig begreifen, der es nicht selbst erlebt hat. Auch unter den Mülheimer Künstlern gab es einige, die dieses Schicksal erfahren mussten. Wie Arthur Kaufmann, Hermann Haber, Otto Pankok, Werner Graeff und Werner Gilles. Sie gingen in die innere oder äußere Emigration. Gute Leute kehrten Deutschland für immer den Rücken, andere waren in ihrer Persönlichkeit und Schaffenskraft gebrochen. So ist von 1933 bis 1945 eine ganze Künstlergeneration unwiederbringlich verloren gegangen.

Mühevoll war der Anschluss an die Moderne. Die Ausstellung passt perfekt ins Mülheimer Museum mit seiner jungen Geschichte und seinen Sammlungsschwerpunkten. Mehrere Werke aus Mülheim gingen als Leihgabe nach Krakau. Auch Mülheim war damals von der „Entarteten Kunst“ betroffen, erläutert Reese. Zwei beschlagnahmte Bilder von Emil Nolde und Karl Hofer wurden in den 60er Jahren wieder erworben.