Mülheim.. Die Landesregierung will mehr Mischwälder. Wie es damit in Mülheim aussieht, erklärt Oberförster Dietrich Pfaff.
Mehr Mischwald, weniger Nadelhölzer, mehr Waldflächen, die sich ohne Eingriffe des Menschen entwickeln – mit der „Waldstrategie 2050“ will die Landesregierung den Herausforderungen des Klimawandels begegnen, für bessere Luft und mehr natürliche Erholungsflächen sorgen. Wie steht es da um den Mülheimer Wald? Die NRZ sprach mit Oberförster Dietrich Pfaff.
Was halten Sie von der Waldstrategie 2050?
Dietrich Pfaff: Ich habe das mit Interesse gelesen und finde den Ansatz sehr gut, auch wenn nicht alles neu ist, was da geplant ist.
Wie schaut’s denn beim Mülheimer Wald aus?
Pfaff: Wir bewirtschaften und pflegen unseren städtischen Wald seit 1989 naturnah. Rat und Verwaltung unterstützten uns dabei, dass zum Beispiel der Anteil des Nadelholzbestands verringert wurde und wird und dass auch keine standortungerechten Arten mehr angepflanzt werden.
Gibt es dafür einen Plan?
Pfaff: Ja, den Waldentwicklungsplan, den wir regelmäßig fortschreiben.
Was besagt er?
Pfaff: Zum Beispiel erhöhten wir den Anteil an Laub- und Mischwald. 1990 lag der Nadelholzanteil im städtischen Forst noch bei elf bis zwölf Prozent, heute beträgt er nur noch drei bis vier Prozent. 1998 wurde uns mit dem Naturland-Zertifikat bescheinigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Mülheim erhielt diese Auszeichnung als dritter Forstbetrieb in Deutschland. Ein Jahr später erhielt der Stadtwald zudem das internationale Zertifikat des „Forest Stewardship Council“. Vor kurzem war wieder ein Prüfer da.
Wie lautete sein Ergebnis?
Der Mülheimer Wald
Rund 1000 Hektar Wald sind in städtischem Besitz. Die größten Forstflächen sind der Uhlenhorst mit etwa 650 Hektar, der Auberg mit 70 Hektar, der Witthausbusch mit 25 Hektar. In Privatbesitz sind etwa 700 Hektar. Der größte private Eigentümer ist Graf Spee. Rund 19 Prozent der Stadtfläche sind Wald. Mülheim ist nach Bottrop die zweitwaldreichste Stadt des Ruhrgebiets.
Warum verringert man überhaupt den Nadelholzanteil?
Pfaff: Fichten hat man einst hier angepflanzt, weil sie schneller wachsen und sich das Holz gut verkaufen ließ. Die Fichte wurde mal der Brotbaum der deutschen Forstwirtschaft genannt. Ohne den Eingriff des Menschen gäbe es sie hier aber gar nicht, sondern stattdessen Eichen, Buchen oder Birken, die zum Klima, zum Boden und zur durchschnittlichen Jahrestemperatur in diesen Breiten passen. Neben den Nadelhölzern sind auch Pappeln keine standortgerechte Baumart.
Nennen Sie ein Beispiel für naturnahe Pflege.
Pfaff: Das Regenrückhaltebecken an der Riemelsbeck. Vor zwei Jahren haben wir dort Pappeln fällen lassen. Erlen und andere Arten haben sich da wieder ganz von selbst angesiedelt, eben weil die Bedingungen an diesem Standort für sie stimmen. Ein anderes Beispiel: An der Markenstraße gibt es keine Bewirtschaftung. Der Wald entwickelt sich selbst.
Wie hoch ist der Anteil solch unbewirtschafteter Flächen?
Pfaff: Beim städtischen Forst beträgt er rund neun Prozent. Eine ökologische Waldnutzung ist auch gut für bedrohte Tierarten. Totholz wird durch eine Vielzahl von Organismen genutzt. Viele Tiere, und Pflanzen, die auf Totholz angewiesen sind, stehen auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. In Mülheim hat sich in den letzten Jahren der Hirschkäfer, der vorwiegend Laubgehölze bevorzugt, deutlich vermehrt. Der Bestand an Spechtvögeln hat ebenfalls stark zugenommen.
Gibt es einen Punkt, an dem der ideale Wald fertig ist und man nichts mehr tun muss?
Nein. Es gibt keinen Endzustand. Wald ist ein lebendiger Organismus und das Ganze ist ein ewiger Prozess.