Mülheim. Von 2007 bis 2011 sank die Zahl der betrieblichen Lehrstellen. IHK und Handwerk betonen: Wir bilden kontinuierlich aus.

Fachkräftemangel, Gefahren der Globalisierung, eine alternde Gesellschaft – Stichworte, die immer wieder von Wissenschaft, Politik und auch Wirtschaft angeführt werden, wenn es darum geht, zu betonen, wie wichtig und notwendig heutzutage eine gute Ausbildung ist.

In dem Zusammenhang sorgt allerdings ein Blick in die Ausbildungsplatzstatistik erst mal für Verwunderung: Statt anzusteigen, sank in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der Lehrstellen, und zwar kontinuierlich: von 1093 auf 968, so die Agentur für Arbeit. Da stellt sich die Frage: Sind die Betriebe ausbildungsmüde, verschlafen sie gar ihre Zukunft?

Zwei Drittel der Betriebe bieten Lehrstellen an

Ein klares Nein, heißt es hierzu seitens der Wirtschaftsförderung, der Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Kreishandwerkerschaft. „2011 schlossen unsere Mitglieder 800 Verträge ab. Zwei Prozent mehr als im Vorjahr“, betont Hans Michaelsen, Leiter der Aus- und Weiterbildung bei der IHK.

Rund zwei Drittel der ausbildungsfähigen Betriebe biete regelmäßig Lehrstellen an. „Das ist allerdings eine Schätzung.“ Warum dennoch die Zahl der Lehrstellen sinke? „Vielleicht bieten die freien Berufe weniger an?“ Die genauen Gründe, warum sich ein Drittel verweigere, kenne man nicht, aber Einschätzungen: Insbesondere kleine Firmen hätten keine Zeit und kein Personal für die Betreuung eines Azubis. Manche hätten aber auch einfach keine Lust, sich damit abzugeben. „Solche Betriebe schneiden sich aber ins eigene Fleisch.“

Für die Kreishandwerkerschaft liegen Zahlen vor: 2008 gab es in allen Lehrjahren 327 Lehrlinge, 2009 waren es 273, 2010 dann 303 und 2011 zählte man 291. „Das schwankt bei uns, weil nicht jeder Betrieb jedes Jahr jemanden einstellen kann, sondern vielleicht nur alle zwei, drei Jahre“, so die Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft, Barbara Pezzei gegenüber der NRZ. Dass nicht jeder Handwerker einen Lehrling einstelle, habe damit zu tun, dass, dass es Kleinstbetriebe mit maximal fünf Beschäftigten gebe. „Ausbildung kostet auch Zeit. Und die haben die gar nicht.“

Entwicklung

So haben sich die betrieblichen Lehrstellen und die Zahl der Bewerber in den vergangenen Jahren entwickelt.
2007: 1093 Lehrstellen und 1384 Bewerber.
2008: 1029 Lehrstellen und 1237 Bewerber.
2009: 989 Lehrstellen und 1074 Bewerber.
2010: 991 Lehrstellen und 1309 Bewerber.
2011: 968 Lehrstellen und 1170 Bewerber.

Weniger Betriebe, die ausbilden

Bei der Ursachenforschung für die sinkende Zahl der pro Jahr angebotenen Lehrstellen verweist der Chef der Wirtschaftsförderung, Jürgen Schnitzmeier, auf folgende Punkte: Aus der einen Seite gebe es vermutlich ein paar Betriebe weniger, die ausbilden.

Auf der anderen Seite beklage die Wirtschaft, dass die Ausbildungsfähigkeit der Schulabgänger gesunken sei. „Was die Ausbildungsquote allerdings betrifft, also die Anzahl der Azubis im Verhältnis zur Gesamtzahl aller Beschäftigten, die sei in Mülheim gestiegen. „2005 lag sie noch bei 5,8 Prozent, 2010 betrug sie 6,4 Prozent. Damit entwickelte sich Mülheim entgegen dem Bundestrend. Ich hoffe, dass die positive Entwicklung weiter anhält.“

Doppelter Abi-Jahrgang wird sich bemerkbar machen

Die Nagelprobe in Sachen Lehrstellen wird es im kommenden Jahr geben: Dann beenden gleich zwei Abiturjahrgänge, die nach 12 und die nach 13 Jahren, ihre Schulzeit. Und nicht alle werden in die Hochschulen drängen. Die Folge: Schüler mit mittlerem oder einfachem Schulabschluss werden bei der Bewerbung um eine Lehrstelle das Nachsehen haben.