Essen. . Fast jeder vierte Auszubildende bricht seine Lehre vorzeitig ab oder wechselt den Betrieb. Und es werden von Jahr zu Jahr mehr. Die ersten Wochen in der Lehre sind die entscheidenden. Warum es oft nicht klappt und wer dann helfen kann.

So hatte sich Nicole H. den Start ihrer Hotel-Lehre nicht vorgestellt. 60 Stunden in der ersten Woche, 67 Stunden in der zweiten. Samstagnacht im Personalbett statt in der Disco. Auch bei Dennis B. ist die Freude über den Ausbildungsplatz nach wenigen Wochen verflogen: Nach der Berufsschule wird er ständig in den Betrieb gerufen, um noch ein paar Stunden zu arbeiten. Dass 17-Jährige wie er laut Gesetz gar keine Überstunden machen dürfen, interessiert seinen Lehrherren nicht.

Klagen wie diese finden sich zu Tausenden auf der Internetplattform „Dr. Azubi“ des DGB. Gerade jetzt, zum Start des neuen Ausbildungsjahres, gibt es Fragen über Fragen: Muss ich Überstunden machen? Werden sie bezahlt? Gilt die Zeit in der Berufsschule als Arbeitszeit? Und wenn der Streit eskaliert: An wen kann ich mich wenden, wer kann vermitteln?

Abbrecherquote stieg 2010 auf 23 Prozent

Fast jeder vierte Auszubildende bricht seine Lehre vorzeitig ab oder wechselt den Betrieb. Und es werden von Jahr zu Jahr mehr. Die Abbrecherquote lag lange unter 20 Prozent, 2010 stieg sie auf 23 Prozent. Klagen über strenge Ausbilder sind einer der Gründe dafür. Doch umgekehrt klagen auch die Arbeitgeber über unmotivierte, orientierungslose und wenig gebildete Azubis.

Die ersten 100 Tage, die für viele Jugendliche gerade beginnen, sind meist die entscheidenden. Ein Drittel der Abbrecher geht noch während der Probezeit. An wem das liegt, weiß die Statistik nicht. Denn während der Probezeit, die ein bis vier Monate dauert, können Betrieb und Azubi den Ausbildungsvertrag ohne Angabe von Gründen lösen.

Dass die Probleme von beiden ausgehen können, bestreitet auch die Arbeitgeberseite nicht. Die Handwerkskammer Düsseldorf etwa entzieht jeden Monat einem Betrieb die Ausbildungserlaubnis, weil sich Beschwerden als berechtigt erwiesen haben, sagt Geschäftsführer Axel Fuhrmann. „Und wer Ausbildung mit Ausbeutung verwechselt, dem sagen wir, dass Azubis kein Ersatz für 400-Euro-Kräfte sind.“

„Vor der Lehre ein Praktikum machen“

Ob die Chemie zwischen Chef und Azubi stimmt, merke man sehr schnell. „Deshalb raten wir immer, vor der Lehre ein Praktikum zu machen. Dann sieht man, ob es passt“, sagt Fuhrmann. Natürlich gebe es cholerische Meister, auf der anderen Seite wiesen aber auch viele junge Leute große Bildungs- und Erziehungsdefizite auf. Jeder zweite Azubi im Handwerk komme von der Hauptschule. Solche Lehrlinge im Handwerk auszubilden sei schwieriger als Abiturienten bei der Bank. Das Handwerk hat die höchsten Abbruchquoten. In NRW löste 2010 fast jeder dritte Azubi den Vertrag vorzeitig auf. Das bedeutet nicht immer, dass die Azubis ihren Berufswunsch aufgeben. Viele setzen ihre Lehre in einem anderen Betrieb fort. Bevor ein Azubi hinschmeißt, tut er gut daran, sich vorher bei der Arbeitsagentur um einen Ersatzbetrieb zu kümmern. Weil es derzeit viele offene Lehrstellen gibt, sind die Chancen zu wechseln besser als früher. „In schwierigen Zeiten ist der Leidensdruck der jungen Leute größer“, sagt Axel Fuhrmann.

Dennoch spielen auch die in manchen Berufen harten Sitten eine Rolle. So kommen die beiden Berufe mit den höchsten Abbruchquoten aus der Gastronomie. Dass in der Küche ein besonders rauer Umgangston herrscht, dürfte ein Grund dafür sein, dass fast jeder zweite Koch-Lehrling (44 Prozent) seinen Betrieb vorzeitig verlässt. Im Service ist es nicht viel besser (43,6 Prozent). Zum Vergleich: Die Lehre in der Bank ziehen 95 Prozent der Azubis durch.

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