Mülheim. .
Pfarrer Matthias Dargel (46) hat zum 1. März den theologischen Vorstand und Vorstandsvorsitz der Theodor Fliedner Stiftung übernommen. Stellvertreterin wurde Sabine Halfen. Dargel stammt aus Bielefeld, hat Theologie und Ökonomie studiert, er ist Vater von drei Kindern und Liebhaber von drei Instrumenten: Orgel, Posaune, Klavier.
Neuer Job in Mülheim, sind Sie auch Mülheimer geworden?
Matthias Dargel: Nein, ich pendel ein, von Düsseldorf gerade mal 15 Minuten bis Selbeck.
Welches Bild haben Sie als Zugereister vom Ruhrgebiet?
Dargel: Herzliche, sehr ortsverbundene Menschen, offen für Neues. Das Ruhrgebiet hat eine enorme Fähigkeit zur Wandlung bewiesen: von der Kohle zum High-Tech-Standort, zu einer der dichtesten Hochschulregionen, und das in eigentlich kurzer Zeit.
Sie sind Theologe und Ökonom, eine ungewöhnliche Kombination.
Dargel: Es gibt sie in Deutschland auch nur selten. Dabei finde ich, dass sie passt. Ich war immer mit der Kirche verbunden und hatte eine Vorliebe für Zahlen. Diakonie braucht beides. Sie muss Menschen Zuwendung und Hilfe geben, sie muss aber auch richtig rechnen können, sonst ist sie eines Tages pleite. Die Geschichte vom barmherzigen Samariter in der Bibel zeigt uns: Der Mann konnte helfen, weil es ihm wirtschaftlich gut ging, und er wollte auch helfen.
Arm und Reich driften auseinander. Bereitet Ihnen das Sorgen?
Dargel: In Deutschland sehe ich noch ein recht gutes Sozialsystem, das auch Ausgleich schafft. Aber jenseits von Europa sehe ich große Probleme sich zu entwickeln, da ist Griechenland nur ein Vorspiel. Die Menschen in Not werden zu uns kommen, wenn wir ihnen nicht vor Ort verstärkt helfen.
Sie sind nun Chef von rund 2000 Beschäftigten, die sich um alte, kranke, behinderte Menschen kümmern. Wo sehen Sie die größte Herausforderung für die nächsten Jahre?
Dargel: Mitarbeiter zu gewinnen für soziale Berufe, für die Pflege. Das ist unsere größte Baustelle. Es geht um die Kunst, gerade jungen Leuten deutlich zu machen, dass dies ein sehr schöner Beruf ist.
Ein sehr anstrengender mit hohen Krankenständen, großer Fluktuation und schlechter Bezahlung aber auch.
Dargel: Die schlechte Bezahlung stimmt nicht, nicht für jede Einrichtung. Die Diakonie zahlt sicherlich nicht schlecht. Abschreckend sind eher die Nacht- und Schichtarbeit. Ich glaube dennoch, dass die Altenpflege unterfinanziert ist, es muss mehr Geld in das System, allein schon wegen des demografischen Wandels und wegen der deutlich steigenden Zahl an Demenz erkrankter Menschen und wegen steigender Ansprüche.
Wie sieht Ihr Ideal einer Alten- und Behindertenpflege aus?
Dargel: Wir sollten in der Lage sein, viel stärker Klienten orientiert zu arbeiten. Passgenaue Hilfen wünschte ich mir. Auch wenn das Beispiel hinkt: Sie können sich heute ein Auto nach jedem erdenklichen Wunsch zusammenbauen lassen, zugeschnitten auf persönliche Bedürfnisse. Auch in unserem Sozialsystem sollte sich jeder maßgeschneiderte Hilfen zusammenstellen können. Davon sind wir aber noch weit entfernt.
Was wäre auch mit Blick auf den medizinische Fortschritt realistisch?
Dargel: Auf jeden Fall ein größerer Einsatz von Technik, die den Alltag von alten und behinderten Menschen erleichtert. Wir werden demnächst Menschen betreuen, die mit einem ganz anderen technischen Verständnis alt geworden sind. Die werden auch eine größere Akzeptanz gegenüber technischen Hilfsmitteln und elektronischer Unterstützung zeigen – ob das bei der Fortbewegung ist oder im Haushalt vielleicht der Umgang mit einem sprechenden Kühlschrank. Die Technik wird es ermöglichen, dass Menschen sich länger weitgehend selbstständig versorgen können. Auch das ist ja ein zentraler Wunsch von sehr vielen Menschen.