Mülheim.
Alfons Fiedler, der fast vier Jahrzehnte Lehrer war, davon 25 Jahre Rektor einer katholischen Hauptschule, führt neuerdings den Familienbund der Katholiken im Bistum Essen. Die folgende Frage hört der 64-Jährige, der mit seiner Frau in Saarn lebt, häufig – und genau das soll sich ändern.
Was macht eigentlich der Familienbund der Katholiken?
Alfons Fiedler: Eigentlich hat er eine politische Zielsetzung, mit Anhörungsrecht im Landtag und Bundestag.
Sie sind also Lobbyisten...?
Fiedler: Könnte man sagen. Der Familienbund ist nicht besonders bekannt, aber das ist nur im Bistum Essen so, und ich habe mich wählen lassen, um es zu ändern. Darum ziehe ich jetzt durch alle Pfarreien, spreche mit Menschen, versuche meine Kontakte zu aktivieren und neue Leute zu gewinnen. Außerdem möchte ich die Politiker etwas schubsen.
In welche Richtung?
Fiedler: Alle Welt findet Hilfen für Familien so wichtig, diskutiert über Familiengeld oder die sogenannte „Herdprämie“, aber niemand traut sich an das Thema richtig heran.
Dazu passt der aktuelle Vorschlag jüngerer CDU-Abgeordneter: eine Zwangsabgabe für Kinderlose. Was halten Sie davon?
Fiedler: Ich kenne genügend Leute, die keine Kinder haben, auch welche, die darunter leiden. Man sollte Kinderlose nicht bestrafen, sondern umgekehrt Familien belohnen.
Wie könnte das aussehen?
Fiedler: Etwa, indem man die Mehrwertsteuer für Dinge, die Kinder brauchen, deutlich senkt. Derzeit liegt sie bei 19 Prozent, das ist ein Unding. Was ich fast noch wichtiger finde, ist die Förderung von Betreuung in der Familie. Hirnforscher stellen immer wieder fest, dass die Bindung von Kindern in den ersten drei Jahren für die spätere Entwicklung unheimlich wichtig ist. Man sollte die Leistung von Frauen, die mit Kleinkindern zu Hause bleiben, besser berücksichtigen und im Anschluss an das Elterngeld 300 Euro pro Monat zahlen. Unabhängig vom Einkommen. Krippenplätze für Kleinstkinder bezuschusst der Staat ja schließlich auch.
Müssen es die Mütter sein, die zu Hause bleiben?
Fiedler: Nicht unbedingt. Für mich war es immer wichtig, dass Väter die Kinder mit erziehen. Es müsste auch viel mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf getan werden: flexible Arbeitszeiten, Betriebskindergärten, Home-Office...
Sie und Ihre Frau haben einen längst erwachsenen Sohn: Wie sah Ihre persönliche Betreuungslösung aus?
Fiedler: Als ich Vater wurde, habe ich noch studiert und Bafög bekommen. Meine Frau war halbtags berufstätig, ansonsten hat die Großmutter aufgepasst. Wir kommen aus der Kinderladenbewegung und hingen damals, 1969, einer sozusagen sozialistischen Idee an. Wir hatten uns mit fünf, sechs Familien zusammengetan, Räumlichkeiten angemietet und eigentlich vor, die Kinder abwechselnd zu betreuen.
Wie lange hat das in der Praxis funktioniert?
Fiedler: Nicht lange, vielleicht von April bis Oktober 1969. Wenn es darum ging, wer mit der Kinderbetreuung an der Reihe war, ging das Gestöhne und Gestottere los. Plötzlich hatte keiner mehr Zeit.
Für den Familienbund der Katholiken hat die Ehe immer noch einen „unumstößlichen Wert“. Nicht nur aus ihrer langjährigen Arbeit als Hauptschulrektor werden Sie wissen, dass die Wirklichkeit oft anders aussieht. Was ist für Sie „Familie“?
Fiedler: Wir orientieren uns schon an Artikel 6 des Grundgesetzes, der Ehe und Familie besonders schützt. Aber natürlich ist das die Idealform. In meiner Tätigkeit habe ich gelernt: Das schwächste Glied der Kette muss geschützt werden. Und das ist immer das Kind. Die beste Förderung bekommt es in einer stabilen Lebenssituation, die mit Geld abgefedert werden muss.
Und das kann auch eine Patchwork-Familie sein.
Fiedler: Ja.
Sie haben lange die katholische Hauptschule in Oberhausen geleitet, deren Bestand nun gefährdet ist. Wie stehen Sie zu dem Bürgerbegehren für die Bruchstraßenschule in Mülheim?
Fiedler: Die Schule sollte bleiben. Ein gewachsenes System sollte man nicht auflösen. Ohnehin meine ich: Die Hauptschule ist besser als ihr Ruf. Leider träumen viele Eltern vom Abitur und überfordern ihre Kinder. Wenn sie dann straucheln in der sechsten Klasse und zur Real- oder Hauptschule kommen, hat man es mit geknickten Seelen zu tun.
Steuersenkung für Windeln
Seit nahezu sechs Jahrzehnten gibt es den Familienbund der Katholiken (FDK), der 1953 in Würzburg gegründet wurde und 36 Diözesan- bzw. Landesverbände umfasst.
Wenngleich der FDK sich als parteipolitisch unabhängige Interessenvertretung bezeichnet, verfolgt er politische Ziele, auf allen Ebenen. Er möchte die „Erziehungsfähigkeit“ und die wirtschaftliche Lage von Familien stärken sowie „ihre Benachteiligungen in der Gesellschaft“ beseitigen. In einer Selbstdarstellung heißt es: „Wir respektieren die Vielfalt gelebter Eltern-Kind-Gemeinschaften.“ Doch besonders förderungswürdig sei die auf einer Ehe gegründete Familienstruktur (Details unter www.familienbund.org).
Der Familienbund der Katholiken im Bistum Essen hat derzeit drei Mitgliedsverbände: die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), die Katholische Frauengemeinschaft (kfd) und Kolping, sowie etwa 200 Einzelpersonen als Mitglieder – in Mülheim knapp zehn. Sie zahlen einen Mindestbeitrag von sechs Euro pro Jahr. Der FDK im Bistum Essen geht mit neuer Führungsriege in das Jahr 2012: Kürzlich wurde Alfons Fiedler zum ersten Vorsitzenden gewählt, Andreas Kühn zu seinem Stellvertreter und Geschäftsführer.
Zu den regelmäßigen Aktionen gehört ein Pfingsttreffen im Haus Niedermühlen/Westerwald, eine Sommerferienfreizeit für Familien, die von Hartz IV leben, und ein offenes Singen im Advent. Unterstützt wird die Kampagne „7% für Kinder“, die sich dafür einsetzt, den Mehrwertsteuersatz etwa für Kinderkleidung und -schuhe, Windeln, Autositze oder Schul-Essen zu senken.