Mülheim. .

Gebannt schauen die acht Kunden auf den Fernsehbildschirm im Elektronikfachgeschäft im Forum, im Halbkreis stehen sie vor dem Gerät. Es ist kurz nach 11 Uhr. Der Verkäufer stellt den Ton lauter. Im Bild: Christian Wulff, der seinen Rücktritt als Bundespräsident erklärt. „Wurde ja Zeit“, knurrt ein älterer Herr. Im nächsten Gang räumen zwei Verkäufer Regale ein, während Wulff erläutert, warum er sein Büro räumt.

Die Stimmung hinterm Tresen im Café Solo ist um kurz nach 11 Uhr gut. Im Fernsehen läuft: Wulff. „Wir arbeiten den ganzen Tag“, blickt Marvin Schmitz (18) gen Bildschirm, „und die Politiker erschleichen sich Geld“. Sein Kollege sagt, er habe eben Gästen Prosecco serviert. Sie stießen auf den Rücktritt an.

"Er war sympathisch"

Weniger gut ist die Stimmung in der Geschäftsstelle der CDU Mülheim. Ramona Baßfeld hat Wulff persönlich kennen gelernt. In Mülheim, im Wahlkampf, „ein, zwei Jahre bevor er Ministerpräsident wurde.“ Sie erinnert sich: „Er war sympathisch, hatte eine ruhige Art und ging auf die Leute zu.“ Hansgeorg Schiemer, CDU-Fraktionsgeschäftsführer, hat „gemischte Gefühle“. Zum einen sieht er keinen Grund für den Rücktritt, da staatsanwaltliche Ermittlungen auch schon bei Bundestagsabgeordneten eingeleitet wurden. Zum anderen herrscht Erleichterung: „Durch den Rücktritt wurde der Respekt vor dem Amt gewahrt.“

Nicht überall hat sich die Nachricht schon herumgesprochen. In der SPD-Geschäftsstelle schaut die Dame überrascht: „Wie, der ist weg?“ Zu Besuch in der Grünen-Geschäftsstelle. Das Telefon klingelt. Am Apparat: Wilhelm Knabe, Politik-Urgestein, Mitbegründer der Partei, erfahrener Bundespolitiker: „Es ist richtig, dass er zurückgetreten ist. Das ist eine logische Konsequenz aus seinem Verhalten und der Aufdeckung vieler Ungereimtheiten.“

"Es ist ein dramatischer Einschnitt"

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Mülheimer Abgeordnete, erklärt, der Rücktritt sei wegen der Belastung des Amtes „notwendig und unvermeidlich“. Ulrike Flach, Mülheimer FDP-Bundestagsabgeordnete, sagt, dass man sich in solchen Augenblicken als Politiker nie gut fühle. „Es ist ein dramatischer Einschnitt“.