Mülheim.
Nein, man könne es den Menschen nicht begreiflich machen, sagt der Grüne-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer, dass sie vor ihrem Einfamilienhaus das Abwasserrohr abdichten müssen, aber gleichzeitig die Industrie einen hochgiftigen Chemie-Mix zur Erdgasförderung ins Erdreich pumpen darf, von dem man nicht wisse, wo er lande und was aus ihm werde. Es geht um das Reizthema „Fracking“, das derzeit viele umtreibt. Fünf Politiker, darunter vier aus dem Bundestag, diskutierten jetzt auf Einladung der Grünen mit Bürgern über Ängste, Risiken und Forderungen an den Gesetzgeber.
In Mülheim hat sich ein breites Aktionsbündnis gegen die Fördermethode Fracking gegründet. Die BASF-Tochter Wintershall gehört zu den Energiekonzernen, die sich Flächen für mögliche Probebohrungen und spätere Förderung gesichert hat, auch der Mülheimer Süden gehört dazu. Doch von Probebohrungen ist man noch weit entfernt, zunächst erfolgen Bohrungen, um Gesteinsproben zu untersuchen. Möglicherweise auch in Mülheim. Ob es sich überhaupt in der Gegend lohnen könnte, nach Erdgas, das im Schiefergestein gespeichert ist, zu bohren, steht noch auf einem anderen Papier.
Bürger fordern Verbot von Fracking
Doch soweit darf es aus Sicht der Bürger nie kommen. „Verbieten!“, fordern sie und verweisen auf die USA, wo Fracking seit zehn Jahren erfolgt. Anwohner berichten dort von gravierenden Auswirkungen auf das Trinkwasser, auf die Gesundheit. „Warum sollen wir den Dreck bei uns zulassen“, fragt ein Bürger. Frankreich wird als positives Beispiel genannt. Dort hat die Regierung Fracking aus Sicherheitsgründen verboten.
Die Politiker von SPD; CDU, Grüne, FDP und Die Linke sind sich im Grunde einig: Sollte es beim Fracking ein Restrisiko für die Menschen geben, müsse es untersagt werden. Es gehe hier, so der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Schmidt aus Mülheim, vor allem auch um eine ethische Frage. Für parteipolitische Machtkämpfe eigne sich das Thema nicht. Doch einfach verbieten könne der Gesetzgeber, anders als in Frankreich, in Deutschland das Fracking nicht. „Wir müssen Gesetze so gestalten, dass sie vor einem Gericht auch Bestand haben, so Schmidt. Dazu seien umfangreiche Untersuchungen zu den Gefahren und Risiken nötig. Ein Verweis auf die USA reiche da nicht, sagt der frühere Vorsitzende des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag.
Politiker wollen Zeit gewinnen
Für ein Moratorium sprechen sich die Politiker aus, um Zeit zu gewinnen, und auch für eine Änderung des Bergrechtes, das noch aus längst vergangenen Zeiten stammt und die Eingriffe ins Erdreich regelt. Punktuelle Umweltverträglichkeitsprüfungen reichten nicht, so Krischer.
Bohrtechnik "Fracking"
Die Bundesregierung, versicherte der Bundestagsabgeordnete Marco Buschmann von der FDP, arbeite an der Thematik, habe die Probleme im Blick. Doch daran zweifeln SPD, Grüne und Die Linke, Gerd Bollmann, der SPD-Abgeordnete aus Wanne-Eickel, verweist auf vorbereitete Anträge der SPD und auf die NRW-Landesregierung, die zumindest bis zur Klärung der Risiken, keine Genehmigung für Fracking erteilen werde. Die Bundesregierung arbeitet aus seiner Sicht zu halbherzig, in der CDU sieht er wie auch Oliver Krischer keine einheitliche Linie zur Fracking-Frage. Könnten die Energie-Unternehmen am Ende doch zum Zuge kommen, wenn es sich für sie lohnen sollte?
Viele Fragen sind noch ungelöst
Johanna Voß, Bundestagsabgeordnete der Linken aus Niedersachsen, schildert, wie dieses Bundesland bereits viel freizügiger sich gegenüber den Energieunternehmen verhalte. Dort finden Probebohrungen statt. Sie fordert ein Verbot für „Fracking“ und eine viel stärkere Suche nach schonenderen alternativen Energien.
Viele Fragen sind noch ungelöst, auch die Haftungsfrage: Wer zahlt eigentlich Schäden? Auch das, so Buschmann, müsse in einem neuen Gesetz genau formuliert sein.
Eine der zentralen Fragen, die sich Bergassessor Prof. Erhard Mohr aus Mülheim stellt, ist die Frage nach der grundsätzlichen Notwendigkeit von Fracking: „Wir haben keinen Erdgasengpass, es drohen keine Lieferprobleme.“ Es gebe keinen Bedarf. Beim Energiekonzern Exxon ließ man durchblicken, dass man sich auch dann nicht vom deutschen Markt verabschieden werde, wenn die Politik das Fracking verbieten sollte.