Mülheim. . Die Grünen hatten zur Bürger-Informationsveranstaltung geladen. Der Ansturm war so überwältigend, dass die Veranstaltung kurzerhand verlegt werden musste. Die Mülheimer Bürger haben Angst vor den geplanten Erdgasborungen, dem sogenannten Fracking.

In Texas/USA etwa gibt es den unkonventionellen Abbau von Erdgas längst. Fracking wird die Methode genannt, die gar nicht neu ist, aber neue Ängste schürt. Unter hohem Druck werden dabei Chemikalien in den Untergrund gepumpt, künstliche Risse im Gestein erzeugt, durch die das Gas entweichen soll.

Ist das eine Chance, die Energieversorgung zu sichern, oder eine neue Gefahr für Mensch und Umwelt? Beide Seiten gibt es, sie trafen jetzt in Saarn bei einer Bürger-Informationsveranstaltung aufeinander. Denn was heute Texas ist, kann morgen vielleicht schon die grüne Wiese im Mülheimer Süden sein.

Die Angst vor dem Bohrer quasi vor der Haustür muss sehr groß sein. Die Grünen, die zu der Veranstaltung geladen hatten, wurden quasi überrannt. Die Begegnungsstätte im Kloster Saarn füllte sich schnell, war überfüllt, selbst draußen vor den Fenstern bildeten sich Menschenpulks. Die Kirche sprang als Retter ein – die Veranstaltung wurde kurzerhand ins Gotteshaus verlegt.

Bestrebungen einer Bürgerinitiative

„Wir wollen das alles nicht“ – das war die Botschaft des Abends aus der Bürgerschaft. Und am Ende der Diskussion war zu hören, dass es erste Bestrebungen gibt, eine Bürgerinitiative zu gründen, die das Vorhaben bekämpfen soll. Dabei ist noch offen, ob es überhaupt jemals zur Gasförderung in Mülheim kommen wird.

Die Bürger hörten sich zunächst an, was es möglicherweise für Risiken geben kann, wenn die Chemie als Sprengsatz durch große betonierte Schächte in den Untergrund gepumpt wird. Von giftigen Substanzen ist die Rede, vom Verdacht, dass es um Krebs auslösende Stoffe gehen könnte. Längst ist noch nicht erforscht, wie sich diese ­Substanzen im Untergrund verhalten werden, nach Jahren, nach Jahrzehnten.

Die Firma Wintershall gehört zu jenen Erdgas-Unternehmen, die sich sogenannte Claims, Anrechte, für mögliche unkonventionelle Erdgasförderungen gesichert haben. Wintershall hat die Hand unter anderem auf dem Gebiet Mülheim. Ihr Geophysiker Michael Blum betonte, dass Wintershall in Deutschland bereits an 117 Standorten, meist in Niedersachsen, das Fracking betreibe. Probleme, Zwischenfälle, Komplikationen habe es bisher nicht gegeben. Der Geophysiker gehört zu denen, die im Fracking eine Chance sehen, die heimische Energieversorgung ein Stück unabhängiger, sicherer zu machen. In den nächsten drei Jahren wird Wintershall in Mülheim geologische Voruntersuchungen durchführen. Dazu wird man bohren, etwa 200 Meter tief, und Gesteine entnehmen. Es ist eine Art Diagnose, die erfolgt: Was ist im Untergrund zu erwarten? Tiefbohrungen werde es in Mülheim zunächst nicht geben, und wenn Fracking, so Blum, dann nur, wenn es sich ökonomisch rechne und es ökologisch vertretbar sei.

"Wild-West-Methoden"

Aus Sicht des Bundes für Umwelt und Naturschutz hilft nur ein Verbot für diese Form der Energiegewinnung weiter. Dirk Jansen vom Bund spricht gar von Wild-West-Methoden, die angewandt würden. Denn hier werde nach dem Bergbaurecht aus dem 19. Jahrhundert vorgegangen, und das sehe weder Umweltverträglichkeitsprüfungen noch eine Öffentlichkeitsbeteiligung vor. Beschlüsse fielen im stillen Kämmerlein. Jeder Planungsschritt, fordert er, müsse zuvorderst unter dem Gesichtspunkt der Umweltverträglichkeit geprüft werden, das sei das Mindeste. Um das Bergbaurecht zu ändern, sei die Bundesregierung gefragt, betont MdL Wibke Brems (Grüne) und fordert die Bürger auf: Sprechen Sie Ihre Abgeordneten vor Ort an!

Risiken sehen die Kritiker vor allem für das Grundwasser. Wer kann denn versichern, dass dies nicht geschädigt werde, fragten sich viele an dem Abend. Der Gewässerschutz geht vor, sagt die Geologin Angela Herzberg vom RWW. Doch sie sagt auch, um Risiken exakt abzuschätzen, vorbeugend tätig zu werden, brauche man viel mehr Details: Wo wird gebohrt, in welcher Tiefe, mit welchem Druck, mit welcher Chemie wird gearbeitet?

Auch den Menschen vor Ort ist so manches unklar. Einer bringt es mit einer einfachen Frage auf den Punkt: Ein Bürger, der einen halben Liter Altöl in die Landschaft kippt, wird hart bestraft, und ein Unternehmen darf legal toxische Substanzen ins Erdreich pumpen?