Mülheim. .
Broich und Speldorf: Hier läuft ein für Mülheim bislang einzigartiges Projekt, getragen von der IHK. Geschäftsleute wie Kunden wurden befragt und die Analyse nun veröffentlicht. „Beide Stadtteile sind nicht sorgenfrei, aber sie haben sehr gute Zukunftsperspektiven“: So fasst Jürgen Schnitzmeier, der Chef der städtischen Wirtschaftsförderung, die Ergebnisse zusammen.
Bei der Befragung, die im Oktober 2011 mittels schriftlicher Bögen erfolgte, wirkte die IHK für Essen, Mülheim und Oberhausen mit mehreren Akteuren zusammen, darunter die Interessengemeinschaften Broich und Speldorf, die Mülheim & Business GmbH, die Stadt und der Einzelhandelsverband Ruhr. Zuvor habe man sich „die wichtigsten Lagen“ vor Ort angeschaut und dokumentiert, berichtet Guido Zakrzewski, stellvertretender Geschäftsführer der IHK.
Es folgte die Umfrage, wobei Kunden u.a. ihr Einkaufsverhalten beschreiben und die Situation im Stadtteil beurteilen sollten, während Händler zu Stärken und Schwächen des Standortes sowie möglichen Maßnahmen interviewt wurden. Bei den Ergebnissen unterscheiden sich beide Gruppen deutlich, ebenso gibt es Abweichungen zwischen den Stadtteilen. Aber auch Verbindendes. Letztlich bescheinigt die Analyse Broich wie Speldorf „gute strukturelle Grundlagen“ und eindeutiges „Entwicklungspotenzial“.
Drogerie und Bekleidungsgeschäft fehlen
Beginnen wir in Broich: Hier gaben 72 Passanten Auskunft, die den Stadtteil mit Schulnoten von eins bis fünf bewerten sollten. Die schlechtesten Zensuren (3,19 bzw. 2,82) bekamen das gastronomische Angebot und die Sauberkeit. Relativ gut schnitt dagegen mit 2,45 die Verkehrssicherheit ab. Sortimentswünsche konnten die Kunden äußern, was vor Ort also fehlt: 23 nannten eine Drogerie, elf ein Bekleidungsgeschäft.
74 % der befragten Kunden finden gleichwohl, der Stadtteil Broich habe sich in den vergangenen fünf Jahren positiv entwickelt. Die Händler, von denen 23 antworteten, sind da skeptischer: Nur 52 % erkennen einen Trend nach oben. Die Zahl der Parkplätze erscheint vielen als verbesserungswürdig, Durchschnittsnote für Broich: 2,45.
Speldorf, wo sich 109 Passanten und 39 Geschäftsleute äußerten, erscheint laut Umfrage in einem weniger günstigen Licht. So finden 76 % der Kunden und 72 % der Händler, der Stadtteil habe sich in den letzten Jahren negativ entwickelt. Eine Erklärung liegt für die Initiatoren der Befragung nahe: „Hauptknackpunkt“, so der IHK-Handelsexperte Zakrzewski, „ist das Depot. Ein großes Problem, das wir nicht von heute auf morgen lösen können.“
Gute Verkehrsanbindungen
Was Kunden in Speldorf vor allem bemängeln: die Vielfalt der Warenangebote, der sie nur eine Drei minus geben (3,45). Viele Befragte (36) hätten gerne ein Bekleidungsgeschäft vor Ort, 19 vermissen Schreibwaren, doch auch Blumenläden oder Metzger fehlen offenbar. Gleich 44 Befragte wünschen sich ein zentrales Lebensmittelgeschäft, fast ebenso viele (43) ein Café mit Außenbereich. Denn: Die Gastronomie schneidet mit der Durchschnittsnote 3,07 in Speldorf nicht gut ab. Da nützt es zunächst wenig, dass sich die Speldorfer recht sicher fühlen (Note 2,33), wenn es um Kriminalität geht.
Es gibt darüber hinaus manches, was beide Stadtteile verbindet und von Fachleuten als Pluspunkte gewertet wird: überdurchschnittlich hohe Kaufkraft, gute Verkehrsanbindung, hoher Wohn- und Freizeitwert. Und, ganz wichtig, sie haben in zwei, drei Jahren den Fachhochschul-Neubau an der Duisburger Straße vor der Nase: Aussicht auf rund 3500 Studenten, die hier nicht nur Arbeitszeit verbringen werden, sondern auch einkaufen, einkehren, vielleicht gar wohnen.
Es könnte jedoch sein, dass ihre Interessen und Bedürfnisse andere sind, als die der befragten Kunden im IHK-Projekt: Deren Altersschnitt lag nämlich in beiden Stadtteilen bei rund 59 Jahren. Also nicht mehr allzu weit von der Pensionsgrenze entfernt.
Pilotprojekt in Essen-Kupferdreh
Durchführung, Auswertung und Finanzierung der Umfrage hat komplett die IHK für Essen, Mülheim und Oberhausen übernommen. Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin wurde eigens hierfür befristet eingestellt. Es ist, nach einem kleineren Pilotprojekt in Essen-Kupferdreh, das zweite Vorhaben dieser Art.
Dass ausgerechnet Broich und Speldorf ausgewählt wurden, in denen insgesamt fast 31.700 Menschen leben, erklärt IHK-Handelsexperte Guido Zakrzewski mit dem erkennbaren Potenzial beider Stadtteile: „Sie müssen eine gewisse Gesundheit besitzen. In wirklichen Problemstadtteilen sind die Chancen, etwas zu bewegen, gering.“ Von den 70 aktiven Mitgliedern der BIG wirkten 18 an der Geschäftsbefragung mit, von den über 100 Mitgliedern der IGS beteiligten sich 35.