Mülheim. .

Heinz Rinas ist Krisen gewohnt. Der gelernte Betriebswirt hat in der Vergangenheit als Leiter der Auslandshilfe für die Johanniter so manchen schwierigen Einsatz gemeistert, in Palästina oder auch in Ruanda. In Mülheim, wo er als Geschäftsführer für die drei städtischen Altenheime geholt wurde, trifft er vielleicht auf seine bisher größte Herausforderung: Es kriselt dort an vielen Ecken und Ende.

Krise 1: Über allem schwebt ein gefährliches 2,8 Millionen-Euro-Defizit. Gemäß der Altverträge zahlt die Mülheimer Seniorendienste GmbH ihren Pflegekräften bessere Löhne „als mancher private Anbieter“. Ein Nachteil am Markt, den man aber in der Sache für berechtigt hält. „Wir wollen und sollten eigentlich Pflege besser bezahlen“, sagt Hendrik Dönnebrink, Chef der Beteiligungsholding, unter deren Dach die Stadttöchter betreut und beaufsichtigt werden. Sparen will er nicht beim Pflegepersonal. Denn die Anforderungen steigen eher: „Wir werden nach derzeitigen Schätzungen in Mülheim im Jahr 2025 rund 4000 mehr Demenzkranke in der Pflege betreuen müssen“, sagt Rinas.

Mit personellen Problemen herumschlagen

Krise 2: Wie fast alle Senioren-Einrichtungen müssen sich auch die städtischen Häuser mit personellen Problemen herumschlagen: Der Altersdurchschnitt bei den Mülheimer Seniorendiensten beträgt 55 Jahre, der Krankenstand bewegte sich zeitweise um die 23 Prozent, darunter viele Langzeitkranke. Mit Aushilfen hielten sich die Häuser über Wasser. Nachwuchskräfte? Absolute Mangelware. Rinas holte Pflegekräfte aus Rumänien, die Deutsch-Kurse erhalten und als Praktikanten eingesetzt werden. Kreativ werden, nennt er das. Ausnutzung, schimpfte Verdi. Am Ende musste die Gewerkschaft klein beigeben. „Wir werden in Deutschland verstärkt solche Wege gehen müssen, um in der Pflege nicht in viel gravierende Engpässe zu geraten.“

Die ersten Rumänen machen in Kürze die Deutsch-Prüfung, bis zu zehn von ihnen will die Stadttochter übernehmen. Für alle Pflegekräfte, auch das gehört zur Krisenbekämpfung, soll es Personalentwicklungskonzepte geben, Fortbildung und ab sofort Rückenbehandlungen während der Arbeitszeit.

Haus Gracht und Haus Auf dem Bruch sind bauliche Sorgenkinder

Krise 3: Der bauliche Zustand der städtischen Seniorenheime ist mies. Mit hohem Aufwand wird das Haus Kuhlendahl derzeit saniert – verbunden mit jeder Menge Schwierigkeiten. Die Bau-Verzögerung wird am Ende zehn Monate betragen, mit Baubetrieben liegt man über Kreuz, inzwischen schreiben sich Anwälte. Andere Handwerker wurden ins Haus geholt. Jetzt laufe es, sagt Rinas. Mitte Juni soll das Haus Kuhlendahl wieder komplett bezogen sein.

Haus Gracht und das Haus Auf dem Bruch sind ebenfalls bauliche Sorgenkinder. Auch diese Häuser entsprechen dem Standard nicht mehr, sind Energieschleudern und im Komfort stark verbesserungsbedürftig. Dönnebrink: „Wir suchen nach Auswegen, und das recht bald“, wobei er offen lässt, ob es Um- oder Neubauten oder einen Umzug geben soll. Wohnen in Seniorenheimen, sagt Rinas, müsse Hotelcharakter haben. Alles andere werde am Markt nicht bestehen.

Ein Weg zu mehr Wirtschaftlichkeit

Krise 4: Auch mit dem früheren Geschäftsführer droht ein Rechtsstreit. Nach jetzigem Stand geht der Aufsichtsratsvorsitzende der GmbH, Rainer Hartmann, davon aus, dass Anzeige erstattet wird. Der Vorwurf: „Betrug und Verschleierung von Beweismitteln“ im Zusammenhang mit dem Umbau Kuhlendahl.

Trotz allem: Hartmann sieht die Mülheimer Seniorendienste wieder auf gutem Weg. „Wir müssen vor allem jetzt zusehen, dass wir zügig von dem hohen Defizit herunterkommen. Ein Weg zu mehr Wirtschaftlichkeit ist die höhere Auslastung. Sie konnte von 84 auf 99 Prozent gesteigert werden. Ein Grund: Die städtischen Häuser sind, wegen der baulichen Defizite, günstiger als andere Heime.

Arzt im Haus

Rinas setzt vor allem auf noch bessere Qualität: „Medizin, Wellness, Fitness“ will er verstärkt in den Häusern anbieten. So gibt es inzwischen einen Arzt im Haus – für Sprechstunden vor Ort, Physio- und Bewegungstherapie werden angeboten.

Das Ziel? Rinas schweben Quartierangebote vor: stationäre Pflege, Tagespflege und Wohnangebote mit individueller Unterstützung nach Bedarf. Und das alles kompakt an mehreren Stellen in der Stadt. Nach Grundstücken hält er bereits Ausschau.