Wie organisieren Akteure innerhalb einer Stadt ein Großprojekt wie die Ruhr.2010? Einen Blick durch die wissenschaftliche Brille auf die Mülheimer Beteiligten hat nun Aaron Clamann in seiner Master-Arbeit geworfen.
Der 26-Jährige untersuchte, wie Politiker, Wirtschaft, Kommunalverwaltung und Kulturschaffende außerhalb bestehender politischer und verwaltungstechnischer Strukturen interagierten, indem er 16 Beteiligte befragte. Er wollte wissen, wie sich Netzwerke im lokalen Raum darstellen, also wie die Akteure zusammenarbeiteten.
„Local Governance“ heißt der wissenschaftliche Begriff dafür, wenn Menschen auf lokaler Ebene in einem Netzwerk kooperieren. In der Praxis kann dies etwa bedeuten: Die Beteiligten organisieren kulturelle Veranstaltungen dadurch, dass persönliche Kontakte bestehen. Oft findet dieser Austausch informell statt, außerhalb von Institutionen der Politik oder Verwaltung. „Die Menschen arbeiten dabei auf Augenhöhe“, erklärt Clamann. Ihre Funktion im Netzwerk sei nicht durch ihren Status, sondern durch ihr Wissen geprägt. Wichtig ist dabei der doppelte Lerneffekt: „Die Akteure lernen, Probleme zu lösen und sie lernen die Bildung und Nutzung von Netzwerkstrukturen.“
Budget von einer Million Euro
Mülheim ist ein spannendes Ruhr.2010-Forschungsobjekt, da die Stadt einen relativ geringen Etat hatte, aber verhältnismäßig viele Veranstaltungen stattfanden. Auf circa eine Million Euro belief sich das Budget, so Clamann, – acht Prozent des gesamten Kulturhauptstadt-Etats. Im Vergleich dazu waren die Mülheimer an 53 der 300 Projekte beteiligt – 18 Prozent der Ruhr.2010-Projekte. 1900 einzelne Veranstaltungen starteten in Mülheim, 5500 im gesamten Ruhrgebiet.
Wie haben die Mülheimer das gestemmt? Die Antwort klingt einfach: Sie haben „genetzwerkt“. Clamann wollte für seine Untersuchung unter anderem wissen: „Mit wem wurde im Kulturhauptstadt-Jahr zusammengearbeitet? Waren das andere Akteure als in der täglichen Arbeit?“, erklärt er und verdeutlicht: „Gab es etwa die Überlegung, größere Werbeagenturen zu beauftragen“, anstatt mit dem lokalen Anbieter um die Ecke zu kooperieren? Clamanns Ergebnis: Es gab keine großen Unterschiede zur alltäglichen Arbeit, denn die Akteure haben besonders durch das Jubiläumsjahr 2008 gelernt, Großprojekte umzusetzen. „Die Kulturhauptstadt hat in Mülheim davon gelebt, dass die Akteure sich kennen und oft austauschen“, resümiert Clamann. Und: „Die lokale Verknüpfung ist 2010 noch intensiver geworden.“
Die Kulturhauptstadt wäre in Mülheim ohne das lokale Netzwerk weniger erfolgreich gewesen, ist sich Clamann sicher. Das hätten auch viele der Befragten gesagt. Mit einer Ausnahme: Teile des Stadtrates hätten keine Lehre aus den Netzwerk-Erfahrungen gezogen und könnten sich nicht vorstellen, dass größere Projekte in anderen Politikfragen, etwa im Bereich des Sports, außerhalb von festen institutionellen Strukturen organisiert werden könnten. Eine Erklärung sieht Clamann in der Kommunalwahl 2009: Das Netzwerk sei von manchen Politikern nicht so stark wahrgenommen worden, weil in der Politik keine personelle Konstanz geherrscht habe. Ein Beispiel: „Im Kulturausschuss wurden 60 bis 70 Prozent der Leute ausgetauscht.“
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