Mülheim. . Das Bürgerinteresse am Haushalt hat spürbar nachgelassen. Dabei ist das Loch im Zahlenwerk so groß wie.

Die Armut der Stadt Mülheim ist vor allen Dingen eins: reich an Widersprüchen. Die Not-Millionen, mit denen das Land den Ausverkauf der ärmsten Kommunen verhindern möchte, fließen fürs erste an Mülheim vorbei. Gleichzeitig klafft zwischen Einnahmen und Ausgaben eine Rekordlücke von 120 Millionen Euro. Um alles bezahlen zu können, was zu bezahlen ist, und weil die Einnahmen nie kommen, wenn die Ausgaben anstehen, muss die Kämmerei im nächsten Jahr erstmals den gesamten Etat einmal zwischenfinanzieren. Mehr Not war nie. Weniger Interesse auch nicht.


Nachdem Kämmerer Uwe Bonan im Oktober den Entwurf seines Haushaltsplans eingebracht hat, verliefen die ersten Beratungen der Politik schon überwiegend zäh. Aus allen Fraktionen war nach den Auftaktsitzungen ein kollektiver Seufzer zu hören. Den Etat wieder ins Lot zu bringen ähnele dem Versuch, „mit Wassergläsern einen See zu füllen“, stöhnte ein Freidemokrat. So ähnlich empfinden das möglicherweise auch die Bürger. Im Onlineforum, das wochenlang für Sparvorschläge offenstand, gingen gerade mal 16 Anregungen ein. Und nur fünf davon, erhielten von der Kämmerei das Siegel „prüfenswert“.

Im vorigen Jahr sah das noch anders aus. 106 Ideen breiteten Bürger aus, insgesamt 750000 Euro kamen schließlich als Ertrag zusammen. Zwar war der dafür betriebene Aufwand auch größer, gab es alleine vier große öffentliche Foren. Das Defizit jedoch, mithin das Problem, war sogar noch etwas kleiner. Vor einem Jahr indes war die Stadtverwaltung mit einem umfangreichen Sparpaket in Vorlage getreten. In diesem Jahr nahmen sich die Anregungen der Kämmerei bescheiden bis resignativ aus. Eine von nur 12 Optionen, die Bonan noch aufführte, lautete, in anderen Städten nachzuschauen, wie die es machen...

Von Anleihe bis Sponsorenlauf

Zu den fünf prüfenswerten Bürgervorschlägen, die sich im Forum finden, gehören auch Klassiker. Schon im vorigen Jahr gab es die Idee einer Bürgeranleihe. Bürger leihen der Stadt Geld und erhalten dafür, statt Zinsen, Gegenleistungen wie freien Eintritt ins Bad. Rechtlich ist das grundsätzlich zulässig. Ebenso wie der Verzicht auf einen weiteren Dezernenten. Zudem könnte man den neuen Sportplatz in Heißen streichen, findet ein Bürger. Stattdessen ließe sich das Areal an Gewerbebetriebe verkaufen. Auch das: denkbar. Ebenso wie der Ersatz von Ampeln durch Kreisverkehre und Zebrastreifen. Als bedenkenswert stuft die Verwaltung die Idee eines Sponsorenlaufs aller Stadtbediensteten ein.

Dabei ist der Blick in die Vergangenheit bedeutsamer. Eine Vorentscheidung über den Etat 2012 hat der Stadtrat schon im vorigen Herbst getroffen, als er eben jene Sparliste der Stadtverwaltung abbügelte. Die hätte zwar das Kunstmuseum, Bäder, etliche Dienstleistungen und höhere Steuern für alle gekostet, gleichzeitig aber 60 Millionen Euro in die Kasse gespült und die absehbare Chance auf Haushaltsausgleich bedeutet. Im Verein mit vielen Bürgern, vor allem aus Kultur und Sport, hat die Politik das gekippt und damit möglicherweise sogar richtig gehandelt. Vom Haushaltsausgleich hat sie sich verabschiedet. Oder mit den Worten des Kämmerers: „Ich habe keinen neuen großen Wurf in petto“.

Ein Leben mit dem Defizit

Mülheim muss also lernen, mit dem Defizit zu leben. So lange jedenfalls, bis die Stadt überschuldet ist, 2016 vielleicht, vielleicht erst 2017, und die nächste, die vorletzte Stufe auf dem Weg zur Pleite genommen hat. Die letzte ist die finanzielle Fremdverwaltung.

Immerhin zeigt der Alltag, dass griechische Erkenntnisse der Mülheimer Politik fremd sind. Der Versuch der Stadtspitze, über das Defizit der MVG von 27 Millionen Euro nachzudenken und dabei auch auf billigere Busse statt teure Bahnen zu setzen, darf als gescheitert gelten, bevor es nur den Bürgern präsentiert werden konnte. Fast alle Fraktionen haben sich schon ablehnend erklärt, meist mit dem kopfschüttelnden Hinweis auf weniger Dienstleistungen. Dahinter steht die Sorge, eine je nach Stadtteil anschwellende Debatte nicht mehr beherrschen zu können. Dabei, wundern sich Finanzfachleute, könne sich Mülheim „das Denken in Haltestellen schlicht nicht mehr leisten“.

Bittgänge bei Land und Bund

Möglicherweise haben die gewählten Stadtverordneten auch mit dieser Sicht der Dinge recht, wird sich das Defizit irgendwann in einem Steuerplus von selbst auflösen. Problematisch daran ist: Solange die Stadt aus eigener Kraft und Einsicht zu wenig tut, dürften Bittgänge bei Land und Bund kaum von Erfolg gekrönt sein.