Mülheim. .

Der Weg in den Adventskalender führt durch ein Eisentor. Ein roter Stern leuchtet in der Dunkelheit, so dass Besucher den Eingang zum Garten der Familie Heinemann finden. Auf deren Terrasse haben sich die Gäste am vierten Advent versammelt. Denn jeden Abend im Dezember treffen sich Menschen der ev. Kirchengemeinde Broich-Saarn und der kath. Gemeinde St. Elisabeth an einem Fenster des begehbaren Adventskalenders, um zu singen, sich zu wärmen, Kekse zu knabbern – und innezuhalten.

Mit so vielen Gästen hatten Silke und Jörg Heinemann bei dem Regenwetter gar nicht mehr gerechnet. Nun freuen sie sich, dass etwa 25 Nachbarn am Sonntagabend in ihren Garten in der Straße Am Bühl gekommen sind. Auf der Terrasse stehen sie vor dem breiten Wohnzimmerfenster, das die Heinemanns geschmückt haben. Viele kennen sich, einige noch nicht, man schüttelt sich freundlich die Hand und knüpft Kontakte. „Jeder ist herzlich willkommen“, sagt Silke Heinemann. „In dieser trubeligen Zeit wollen wir innehalten und gemeinsamen den Weg Richtung Weihnachten gehen.“

23 Familien machen mit

„Man trifft sich jeden Abend um 18 Uhr an einem Fenster, singt miteinander, hört eine Geschichte, bewundert das selbstgestaltete Fenster, wärmt sich bei einem warmen Getränk und stimmt sich gemeinsam auf den Advent und Weihnachten ein“, erklärt Ragnhild Geck von der ev. Kirchengemeinde Broich-Saarn, die den begehbaren Kalender jedes Jahr organisiert. 23 Familien machen mit, jede gestaltet den Abend auf ihre Weise. Wie bei der kleinen Ausgabe des Adventskalenders, wartet hinter jedem Fenster eine Überraschung.

Bereits in den vergangenen Jahren haben die Heinemanns beim begehbaren Adventskalender mitgemacht. „Wenn wir Zeit haben, besuchen wir auch welche.“ Es sei eine besonders schöne Form in der hektischen Zeit vor Weihnachten inne zu halten.

Gastgeber verteilen Gesangshefte

Bevor die Kerzen im Fenster angezündet werden, verteilen die Gastgeber Gesangshefte. Die Runde stimmt „Stern über Bethlehem“ an. Danach liest Silke Heinemann eine Geschichte vor: „Das Weihnachtsfest der Gäste“. Noch ein Lied, bevor die Kerzen des Friesenbaums im Fenster erleuchten. „Dies ist ein traditioneller Adventskranz von den nordfriesischen Inseln, meiner Heimat“, erklärt sie den Gästen. Geschmückt ist er mit getrockneten Früchten, Pflaumen und Rosinen, mit Tieren aus Teig und einem Kranz aus Tannengrün. Vier Kerzen brennen auf der Spitze.

„Eine schöne Idee“, finden Kirsten und Frank Leyendecker, die mit ihren Kindern Jette (7) und Piet (9) in den Garten gekommen sind. Sie wohnen in der Nachbarschaft und haben sich über die Einladung der Kirchengemeinde gefreut. Vor allem das besinnliche Beisammensein schätzt die Familie an diesem Brauch. „Und das Singen“, finden die Kinder. Für Jette und Piet gibt’s dann auch eine Tasse Apfelpunsch zum Aufwärmen.

Gemütlichkeit, Verbundenheit und Herzlichkeit

„Die Gastgeber geben sich immer sehr viel Mühe“, findet Haide Marie Hoffmeister. Auch sie wohnt in der Nachbarschaft und besucht regelmäßig die geschmückten Fenster. „Man trifft, unterhält sich und lernt sich so besser kennen“, findet sie. Nachbar Wolfram Keffel stimmt ihr da zu. „Man lernt seine Nachbarn im netten Rahmen kennen.“ Und Haide Marie Hoffmeister ergänzt: „Dieser Brauch strahlt Gemütlichkeit, Verbundenheit und Herzlichkeit aus.“

Das gibt's an Heiligabend

Roswitha Hullmann:
Roswitha Hullmann: "Bei uns in der Familie kocht jedes Jahr jemand anderes, dieses Mal Verwandte in der Bretagne. Wenn ich einlade, mache ich traditionell Gans an Heiligabend, das ist stressig, macht aber Spaß. Dieses Weihnachtsfest bin ich nicht dran – Gott sei Dank!" Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Peter Westen, Rüttenscheid:
Peter Westen, Rüttenscheid: "Ich bin an Heiligabend immer bei meiner Mutter eingeladen. Es gibt jedes Jahr eine geräucherte Fischplatte mit Krabben, Avocados und Brot dazu, das ist nicht so viel Aufwand. Aber ich glaube, den Stress (beim Kochen) wollen die Leute so – Weihnachten ohne Stress gibt’s nicht!" Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Frank Heppner, Betriebsleiter des„Vincent & Paul“:
Frank Heppner, Betriebsleiter des„Vincent & Paul“: "Traditionell gibt es bei uns zuhause an Heiligabend ein Gericht, kein komplettes Menü“, verrät „Vincent & Paul“ Betriebsleiter Frank Heppner. Als gebürtiger Münchner sei bei ihm natürlich die Gans sehr hoch im Kurs. „Da ich an Heiligabend aber selbst nicht viel tun möchte, gibt es ein tolles Rezept, wobei man die Tage davor alles herrichten und die Gans (oder Ente) einfach dann in den Ofen schieben kann.“ Foto: Oliver Müller / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Sofie Graf, Rüttenscheid:
Sofie Graf, Rüttenscheid: "Am liebsten würde ich Kartoffelsalat essen an Weihnachten. Ich bin alleinstehend, was soll ich mit einer ganzen Gans? Dieses Jahr bin ich bei meinen Kindern eingeladen, die kochen sehr gerne, für sechs Personen, eine Katze und einen Hund." Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Dieter Michau, Stadtwald:
Dieter Michau, Stadtwald: "Heiligabend ist der einzige Tag im Jahr, wo mein Schwiegersohn kocht, für 14 Personen. Ich habe eine große Familie, meine Kinder laden alljährlich ein. Ich habe selbst also keinen Stress, aber für den Schwiegersohn ist das ja auch nur eine Ausnahme." Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Henri Bach, Küchenchef des „Résidence“: „Nein, kein Kartoffelsalat mit Würstchen, das finde ich zu Weihnachten auch recht einfallslos“, sagt Bach. „Bei uns gibt es einen Feldsalat mit Kartoffel-Speck-Dressing und gebratener Wachtel, Petersilienwurzelcreme, Rinderfilet mit Gratin, Kartoffeln und Bohnen.“
Henri Bach, Küchenchef des „Résidence“: „Nein, kein Kartoffelsalat mit Würstchen, das finde ich zu Weihnachten auch recht einfallslos“, sagt Bach. „Bei uns gibt es einen Feldsalat mit Kartoffel-Speck-Dressing und gebratener Wachtel, Petersilienwurzelcreme, Rinderfilet mit Gratin, Kartoffeln und Bohnen.“ © NRZ
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