Mülheim. .
„Eingedeckt“ ist für mehrere hundert Gäste. Broschüren mit Zahlen liegen auf allen Stühlen. Die Bühne mit Leinwand ist vorbereitet. Der Moderator, der auch über die Zwischenstände beim Spiel Deutschland gegen Belgien Bescheid weiß, steht ebenso bereit wie der gesamte Vorstand der Stadtverwaltung samt Oberbürgermeisterin.
Und damit man für alle Fragen gewappnet ist, hat man auch noch mehrere Amtsleiter zum Bürger-Informationsabend in die Aula der Realschule Stadtmitte einbestellt. Wer nicht kommt, ist der Bürger.
Die Verwaltung war deutlich in der Überzahl. Zehn Bürger mögen es gerade mal gewesen sein, die die Chance nutzen wollten, um alles zum städtischen Haushalt mit fast 120 Millionen Miesen zu erfahren, die Kritik äußern oder auch Vorschläge machen wollten, wie eine Stadt wie Mülheim besser haushaltet. Es ist das zweite Mal, dass die Stadt die Bürger aktiv am Haushalt beteiligt. Im vergangenen Jahr war der Zuspruch noch rege. Damals gingen insgesamt 105 Bürgerideen ein, gleichzeitig viel mehr Warnungen, wo nicht gespart werden sollte. Das Ergebnis der gemeinsamen Anstrengungen von Politik und Bürgern: 194 Maßnahmen, mit deren Hilfe bis 2014 rund 36 Millionen im Haushalt gewonnen werden können, durch sparen oder zusätzliche Einnahmen.
Die Lust des Bürgers, weitere Sparmöglichkeiten aufzuspüren, scheint gering geworden zu sein. Vielleicht auch deshalb, weil trotz aller Bemühungen die Schulden rasant steigen. „Ich war vor einem Jahr dabei, da ging es um 60 Millionen neue Schulden, heute sind wir bei 120 Millionen, und im nächsten Jahr bei 180 Millionen“, gibt ein Bürger zu bedenken. Längst erscheint vielen das Sparen als aussichtslos angesichts der Schuldenmarke, auf die die Stadt zusteuert: eine Milliarde Euro.
Kämmerer Uwe Bonan, der gemeinsam mit OB Dagmar Mühlenfeld das Städte-Bündnis „Raus aus den Schulden“ anführt, wird nicht müde zu betonen, dass die Kommunen von den gesamtgesellschaftlichen Pflichtaufgaben erdrückt werden. Steuereinnahmen gehen gleichzeitig zurück, und Mülheim profitiert vorerst nicht von der Landeshilfe, weil es anderen noch schlechter geht und die Stadt noch ein paar Millionen Aktien auf der hohen Kante hat. 2016 könnte es was mit der Landeshilfe werden, 6,5 Millionen erwartet der Kämmerer und würde dann zeitgleich die Grunderwerbsteuer und die Gewerbesteuer auf die im Land verbreiteten Höchstsätze anheben, wohl wissend, dass dies auf wenig Begeisterung stößt.
Die Einsparungen beim städtischen Personal laufen. Aber auch das könnte im Nachhinein Bürger härter treffen, als gedacht: Weniger Personal, bedeutet eben auch an vielen Stellen weniger Dienstleistung, längere Wartezeit. 270 Mitarbeiter sollen ersatzlos wegfallen bis 2014.
Sollte die Stadt nicht eher zusehen, dass sie mehr Gewerbeflächen anbietet, um Betriebe anzusiedeln und so mehr Steuern einnimmt? fragt ein Bürger mit Blick auf Heißen, wo aus einer Gewerbe- eine Sportfläche wird.
Die Ansiedlung von neuen Betrieben bleibt ein Hauptanliegen der städtischen Wirtschaftsförderung. Das Gelände in Heißen wollte jahrelang keiner haben, die Errichtung der Sportstätte wird als dringend notwendig bezeichnet – aus sportlicher und städtebaulicher Sicht.
Überhaupt, betont die OB, müsse es in nächster Zeit darauf ankommen, dass die Stadt ihre gestalterischen Möglichkeiten behält und nicht von außen gesteuert wird. Den geringen finanziellen Spielraum will sie nutzen, um die Marken „Familienfreundlichkeit und Generationengerechtigkeit“ zu pflegen.
Woher das Geld nehmen? Sollte nicht endlich der Soli für den Osten abgeschafft werden? fragt ein Bürger und erntet nur Zustimmung. Dass in Mülheim Kredite aufgenommen werden müssen, damit sich ostdeutsche Städte Sporthallen und Schulen „vergolden“ können, versteht längst keiner mehr – weder im Rathaus noch auf der Straße.