Mülheim. .
Domstadt“ Köln, „Kaiserstadt“ Aachen – der Landtag hat entschieden, dass Städte Zusätze auf ihre Ortseingangsschilder schreiben dürfen. Tut sich also eine Stadt einen Gefallen damit? Die NRZ fragte mehrere Mülheimer – auch nach dem Zusatz für Mülheim.
Kommunen in NRW können künftig Zusatznamen auf Ortsschildern führen. Bisher sind nur Zusätze wie „Bad“ oder „Bundeshauptstadt“ (Bonn) und „Landeshauptstadt“ für Düsseldorf zulässig. Am Mittwoch hat der Landtag entschieden, dass Städte nun auch andere Zusätze auf ihre Ortseingangsschilder schreiben dürfen. Die NRZ fragte mehrere Mülheimer – auch nach dem Zusatz für Mülheim.
„Es ist eine gute Initiative, Alleinstellungsmerkmale prominent zu platzieren“, meint Stadtsprecher Volker Wiebels . Titel wie „Wissenschaftsstadt“, „Theaterstadt“ oder „Stadt am Fluss“ seien diskutiert worden. Jedoch: Die Finanzierung bereitet Schwierigkeiten. Schilder müssten abtransportiert, neu beklebt und wieder angebracht werden. Rund 50 davon stehen an den Stadtgrenzen. „Das kostet 8000 bis 10 000 Euro, die wir nicht haben.“ Denn bei den neuen Schildern handele es sich um eine freiwillige Investition, die Mülheim im Nothaushalt nicht tätigen dürfe. Möglich sei aber, dass sich ein Sponsor finde, der die Kosten auf sich nimmt. „Im Moment gibt es da aber keine Aktivität“, so Wiebels.
Mülheim, „die Krativkraft“
Für den Designer Hermann Rokitta , der zuletzt mit seinen Ideen unter anderem für die stillgelegte Trasse der Rheinischen Bahn von sich Reden gemacht hat, ist das eine tolle Idee und er ist davon überzeugt, dass ein richtig gewählter Titel seine Wirkung nicht verfehlen wird. Genau wie Botschaften in der Wirtschaft ihre Wirkung nicht verfehlen. Ein solcher Slogan dürfe aber nicht allein die Wirklichkeit abbilden, was bei dem Zustand der Innenstadt ohnehin nicht ratsam sei, sondern müsste in die Zukunft weisen, um für diese Zielsetzung auch zu mobilisieren. Er müsse einzigartig und wirkungsvoll sein, ohne dabei aufgesetzt zu klingen. Spontan schlägt er „Die Kreativkraft“ vor. Schon gebe es etwa die Games Factory und viele kluge Köpfe in der Stadt und die kreative Kraft in der Stadt soll noch stärker werden. Er sieht das auch im Zusammenhang mit dem Wandel der Innenstädte, die nicht mehr durch konventionellen Einzelhandel geprägt seien. Geschäfte, die das Einkaufen zum Erlebnis oder Ereignis machen, hätten eine Zukunft.
Ulrich Schreyer , Leiter der Diakonie Arbeit und Kultur, findet die Idee „ganz toll“. Noch gut erinnert er sich daran, wie sein erster Eindruck von Mülheim war: „Ich bin gebürtiger Dortmunder und kannte nur zwei Dinge. Das eine war der damalige Slogan ,Sympathische Stadt an der Ruhr’, das andere die Ruhr selber.“ Er wünscht sich, dass die Stadt wieder dahin kommt, sich „sympathische Stadt an der Ruhr zu nennen“. Jedoch müsse auch deutlich werden, woher der Name komme. Krampfhaft einen Namen aussuchen, sei der falsche Weg. „Es sollte authentisch sein.“
Mülheim, Tor zum Ruhrtal
Heimatforscher Heinz Hohensee vom Geschichtsverein, der vor 70 Jahren in Mülheim geboren wurde, meint: „Unser Stadtname ist eigentlich schon lang genug und sagt alles: Mülheim an der Ruhr. Vor einigen Jahren hat man Mülheim auch schon mal das Tor zum Ruhrtal genannt. Das fand ich eigentlich ganz schön, wobei man heute realistischerweise, aber wenig werbewirksam Mülheim auch als Wühlheim an der Umleitung bezeichnen könnte.“
Rolf Schulze von Pro Altstadt erinnert sich an den alten Slogan von der sympathischen Stadt, den er wieder aufleben lassen würde. Allerdings müsste man dann Anspruch und Wirklichkeit in Einklang bringen und jeder müsste sich fragen, was sich ändern müsste, damit Mülheim dieses Ziel wieder erreicht. Daraus ließe sich eine Kampagne machen.
Der Künstler Heiner Schmitz ist unsicher, ob so ein Beiname überhaupt nötig ist. „Ich persönlich brauche so etwas nicht, aber es würde mich auch nicht stören.“ Weltrang hätten die Röhren von Mannesmann, die seien aber für ein Etikett weniger geeignet. Wenn schon, dann sei das Theater herausragend. Neben Ciullis Ensemble gebe es noch andere Gruppen und das jährliche Stückefestival.
Mülheim, Stadt am Fluss und mit Geschichte
„Prinzipiell“ befürwortet der Pressesprecher des Jugendstadtrats, Tim Baumeister , die Möglichkeit. Die Besonderheit der Stadt könne so betont und dieses „Alleinstellungsmerkmal“ nach außen hin vertreten werden, so sein Argument. Baumeister denkt ebenfalls an Zusätze wie Theater- oder Wissenschaftsstadt. Alleine die Finanzierung sei nicht möglich.
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Das Buch „Leben am Fluss“ von Barbara Kaufhold hat die Saarner Buchhändlerin Ursula Hilberath dazu bewegt, sich mehr mit Mülheim und dessen Geschichte zu befassen. Die überzeugte Mülheimerin kann sich mit ihrer Stadt identifizieren und betont, dass die Stadt über ein großartiges Erbe verfüge, welches mit Stolz gepflegt werden müsse. „Die großartige Geschichte Mülheims wird viel zu wenig wahrgenommen“, beklagt sie. Ein solcher Zusatzname, der alle Facetten der Stadt beinhalte, könne ihrer Meinung die Heimatverbundenheit und das Selbstbewusstsein der Mülheimer stärken. Besonders müsse dabei die immense Bedeutung des Flusses für die Entwicklung der Stadt betont werden.
„In Mülheim gibt es nicht ein Angebot, das über allem steht“, meint Ingeborg Kammerichs von der MST (Mülheimer Stadtmarketing und Tourismus GmbH). Deshalb sei ein Slogan nicht so einfach zu finden, wie „Domstadt“ bei Köln. Eine Marke müsse sich entwickeln und beispielsweise historische oder geografische Wurzeln haben. „Einfach ,Jetzt heißen wir mal so’ zu sagen, funktioniert nicht.“ Stattdessen ginge es um die Frage „Wodurch zeichnet man sich aus?“ Als Marke durchgesetzt habe sich „Stadt am Fluss“. Doch sie verweist auf die Leitbilddiskussion. „Wir müssen die Kräfte hinter dem Leitbild bündeln.“ Inhalte spielten die zentrale Rolle. Es ginge um eine geschlossene politische Meinung. Doch „Stadt am Fluss“ habe durchaus seine Berechtigung, durch die an der Ruhr liegende Stadthalle zum Beispiel oder die Weiße Flotte.
Dieter Wiechering (SPD): „Hochschulstadt“ und „Theaterstadt“ unmöglich
Die Politik, die kürzlich eine Leitbild-Diskussion begonnen hat, ist in dieser Frage der Ortseingangsschilder eher zurückhaltend. „Das steht für mich am Ende des Leitbildprozesses. Viele Themen sind wichtiger“, sagt Peter Beitz von der FDP, die mit der SPD den Prozess angestoßen hat. So lange die Beinamen aber nicht auf den Autobahnschildern stehen, sieht er nur einen geringen Nutzen. Ein Beiname gehe aber nur im Konsens.
Tim Giesbert (Grüne) warnt vor Beliebigkeit. Im Dialog müsse man genau klären, was die Stadt ausmacht und worin ihre Attraktivität besteht. „Ein Schild allein ist noch keine Lösung“, so Giesbert. Für Dieter Wiechering (SPD) ist es wichtig, dass es etwas Gewachsenes ist. Das Attribut Hochschulstadt, das die CDU jüngst in die Diskussion geworfen hat, hält er ebenso für nicht möglich wie Theaterstadt. Den Zusatz Stadt am Fluss findet er unsinnig, da dies ja schon durch den Zusatz an der Ruhr ausgedrückt werde. Der gefällt ihm eigentlich ganz gut.