Mülheim. .
Über den Berg ist Birgit Donzelmann noch nicht, aber mit neun weiteren Frauen auf dem besten Weg dorthin. Die sportliche 49-Jährige lacht, wenn sie sagt: „Mit den Steigungen habe ich es noch nicht so.“
Seit Juni trainieren zehn Frauen zwischen 45 und 60 aus Mülheim und Oberhausen für das Wanderprojekt „Über den Berg.“ Es ist ein Pilotprojekt des Brustzentrums Mülheim/Oberhausen (BZMO) das Frauen nach ihrer Brustkrebsbehandlung nicht nur körperlich fit machen, sondern mit dem gemeinsamen Erleben helfen will, ihren Körper stark zu machen, damit es die Seele auch wieder wird. Denn neben der körperlichen Genesung muss auch die Psyche mit dem Gedanken fertig werden, eine lebensbedrohliche Erkrankung zu überwinden.
Wer die zehn Frauen beim gemeinsamen Walken beobachtet, merkt vom ernsten Anlass, der die Damen zusammenbrachte, nicht viel. Da wird erzählt und viel gelacht. Und wer Birgit Donzelmann fragt, wie es ihr geht, bekommt zur Antwort: „Gut. Im Moment geht es mir gut.“ Und dann kommt nachdenklich hinterher: „So wie vorher ist es nicht.“
Mehrere hundert Höhenmeter in sieben Tagen
Vorher, das war vor der Brustkrebsdiagnose, und da war die Saarnerin nicht nur schon mal 100 Kilometer am Tag mit dem Rad unterwegs, sondern wanderte auch gemeinsam mit dem Mann in den Bergen. Jetzt macht ihr allein der Gedanke an die Alpen schon ein wenig Angst, weil sie doch beim Walken auf den Steigungen so schnell aus der Puste kommt, so dass die anderen auf sie warten müssen. „Ich merke das Training jetzt schon“, sagt sie, „aber das ist kein Vergleich zu der Zeit vor der Erkrankung.“ Die Chemotherapie habe ihr doch sehr viel Kraft geraubt.
Am 10. September geht es für eine Woche ins Kleinwalsertal, wo die zehn Frauen, begleitet von Anke Pollmanns, Oberärztin am Evangelischen Krankenhaus Oberhausen, dem Sporttherapeuten Dirk Borow und einem professionellen Bergführer sieben Tage lang mehrere hundert Höhenmeter überwinden wollen.
"Man freut sich darauf"
Und auch werden, davon ist Astrid Schulz überzeugt. „Die schaffen das.“ Denn die Gesundheitstrainerin am Evangelischen Krankenhaus in Mülheim, die ebenfalls mitreist, sieht die Fortschritte, die die Frauen gemacht haben. „Die Fitness hat sich schon total gesteigert – ich war selbst überrascht. Die Frauen sind körperlich fit und mental gut drauf – aber auch unglaublich motiviert.“ Und zumindest der nächste Fitnesstest dürfte einige Zweifel ausmerzen: „Dann sehen sie ja selbst schwarz auf weiß, wie fit sie wirklich sind.“
Dienstags wird gewalkt, Donnerstag ist gemeinsames Krafttraining – keine Pflicht, sondern Vergnügen: „Man freut sich darauf – und auf die Mädels“, sagt Birgit Donzelmann. „Wir haben viel Spaß zusammen.“
Wieder ganz die alte Birgit
Und so rückt das gemeinsame Ziel näher, und die Gefühle von Birgit Donzelmann sind durchaus zwiespältig zu nennen – einerseits freut sie sich sehr auf die Bergtour, „das Naturerlebnis gemeinsam mit einer Gruppe netter Frauen“, andererseits hat sie „schon etwas Strang vor den Bergen“. Hilfreich sei, dass die Frauen alle in derselben Situation steckten – da müsse man nicht unbedingt viele Worte machen. „Es sind ja alles Frauen, die versuchen, ihr Leben nach der Krankheit weiterzuleben“, so Birgit Donzelmann.
Sie selbst arbeitet schon länger wieder in ihrem Beruf als Arzthelferin, hat inzwischen sogar den Arbeitsplatz gewechselt. Nach außen hin, für ihr Umfeld, ist sie wieder ganz die alte Birgit. „Man lässt Federn“, sagt sie, und dass ihr Leben nun anders ist als vorher, dass sie bei vielen Dingen einen Gang runterschaltet, dass sie heute versucht, die Dinge viel gelassener zu sehen.
Birgit Donzelmann ist noch nicht über den Berg. Aber auf dem besten Weg dorthin.